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Domkantor Zum Jubiläum wagt er sich ins All

Seit zehn Jahren ist Johannes Schymalla in Stendal Domkantor. Die großen Fußstapfen seines Vorgängers hat er zu eigenen Spuren gemacht.

Von Nora Knappe 25.06.2016, 01:01

Stendal l Johannes Schymalla macht sich auf Kritik gefasst. Und das ausgerechnet zu seinem kleinen Dienstjubiläum: Seit zehn Jahren ist er der Stendaler Domkantor und aus diesem Anlass gibt er am Sonntag, 3. Juli, ein Sonderkonzert. Natürlich an der Orgel, natürlich im Dom Sankt Nikolaus. Doch eines lässt aufmerken: Neben typischer Kirchenmusik wagt sich Johannes Schymalla dabei auch an etwas Unerwartetes – die Filmmusik aus „Star wars“.

Dass das nicht so recht in einen sakralen Raum passt, ist ihm durchaus bewusst, „darum habe ich auch extra noch den Pfarrer gefragt“, sagt er im Volksstimme-Gespräch. Und dass der sein Ja zu der Sache gegeben hat, beruhigt den Kantor. „Es ist auch gar keine seichte Musik, sondern spielerisch anspruchsvoll“, wie Schymalla erklärt. „Diese sinfonische Musik eignet sich außerdem besonders gut für Orgel, von ganz leise bis Remmidemmi. Als ich es das erste Mal gespielt habe, war ich selbst überrascht, wie gut es klingt.“

Ein Experiment also. Und warum auch nicht? Zum Glück ist es ja nicht sein Antrittskonzert... „Ich finde, zu meinem eigenen Jubiläumskonzert darf es auch mal was anderes sein“, sagt Johannes Schymalla, der vor zehn Jahren die Stelle des Domkantors vom hochgeschätzten Horst Lehmann übernahm – frisch vom Studium der Kirchenmusik in Berlin und Lübeck kam er da, war 29 Jahre alt. „So ein Übergang ist sicher nie leicht, aber der Domchor stand immer hinter mir, er hatte mir ja auch sein Votum gegeben.“ Die Chemie zwischen Chor und Leiter stimmt immer noch: „Es herrscht so eine geistliche Grundhaltung, auch wenn nicht alle Chormitglieder religiös sind. Die Dinge werden gemeinschaftlich gut aufgefangen.“

Der anfängliche Wunsch vonseiten des Domchors, Schymalla möge doch auch einmal strenger sein und schimpfen, ist nun auch passé. „Das liegt mir nicht, das bin ich einfach nicht, ich löse schwierige Situationen eher mal über einen Scherz auf. Mir liegt mehr daran, zu motivieren, als durch Ausrasten aufzufallen.“

Zehn Jahre Domkantor Stendal – tritt da nun schon Langeweile ein? „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich gleich wieder weg muss, man ist ja eigentlich gerade erst richtig angekommen“, sagt er nachdenklich. Routine habe sich höchstens im positiven Sinne eingestellt, insofern, als er nun nicht vor jedem Konzert Ängste ausstehen muss, ob alles klappt. „Ich gehe entspannter ran, kenne die Abläufe, man kann sich auf andere Menschen verlassen.“ Und schließlich waren die zehn Jahre musikalisch immer voller Wandlung und Neuem. „Bis auf ‚König Drosselbart‘ und das Weihnachtsoratorium haben wir hier kein Stück doppelt aufgeführt.“ Es gab Musicals, anspruchsvolle Oratorien und mit dem „Agnus Dei“ 2015 sogar eine Uraufführung.

Daran, über den Tellerrand zu schauen, hindert ihn ja außerdem niemand: Forbildungen für Kinderchor-Leitung oder Dirigierunterricht – dafür nimmt sich Johannes Schymalla gern Zeit.

Wobei man sich schon fragen könnte, woher er die noch nimmt. Schließlich leitet er nicht nur den Domchor mit den Erwachsenen, sondern auch Kinderchöre und Jugendchor – was alles mit vielen Proben und oft viel organisatorischem Aufwand einhergeht. Er gibt eigene Orgel- oder Kammerkonzerte. Spielt im „Trio stendalia“ mit, gestaltet Orgel­andachten in St. Marien und musikalische Gottesdienste. Leitet den Elbkammerchor der beiden Kirchenkreise Stendal und Salzwedel. Und hat ja so ganz nebenbei noch eine Familie mit zwei Kindern.

„Mehr geht nicht, das ist jetzt das absolute Limit“, sagt Schymalla. Und doch ist es für ihn der schönste Beruf, den er sich denken kann. „Ich kann selbstständig arbeiten und meinen Beruf selber formen. Ich bin gern kreativ und denke mir Dinge aus, und wenn ich sie selbstmotiviert angehe, dann mache ich gern auch mal einen Zehnstundentag dafür.“ Die Arbeit mit den verschiedenen Altersgruppen von viereinhalb Jahren bis an die 80 Jahre macht ihm Spaß. „Da bleibt man beweglich im Kopf.“ Zumal jeder Chor eben auch seine Eigenheiten habe.

Dass er seine Stelle als Domkantor so sehr mag, liegt aber noch an etwas anderem. Nicht unbedingt an der Dom-Orgel – nein, da gibt es klanglich schönere, facettenreichere Orgeln in der Altmark. Von der in Tangermündes St. Stephan kann er regelrecht schwärmen. Nein, es sind insbesondere die räumlichen Bedingungen, die Johannes Schymalla so begeistert sein lassen von seinem Arbeitsplatz: „Der Dom, Kapitelsaal und Cordatussaal, der tolle Innenhof, der alles verbindet, die Mischung aus Alt und Neu.. das hat sich in den zehn Jahren alles sehr verändert, sehr zum Positiven. Gerade der Kapitelsaal, der vor der Sanierung eher ein muffiger Abstellraum war, ist zu einem tollen Klangraum geworden. Da überlegt man sich doch zweimal, ob man das alles wieder verlässt.“

Und noch immer weiß Johannes Schymalla auch die Ruhe einer Stadt wie Stendal zu schätzen. „Die Hektik, die einen in einer Großstadt befällt, habe ich hier nicht, das genieße ich.“

Nicht zuletzt haben Johannes und Maike Schymalla beruflich gesehen wohl einen Idealzustand: Beide haben eine Stelle, die ihren Qualifikationen und Neigungen entspricht, beide arbeiten in derselben Stadt und können diese Konstellation sogar noch künstlerisch nutzen – nicht nur in gemeinsamen Klavierkonzerten zu zweit, sondern auch in Form der Zusammenarbeit zwischen Domkantorei und Musikschule, die seine Frau leitet.

„Musikalische Spuren“ wollte Johannes Schymalla mit seinem Wirken setzen, hat er 2006 gesagt. Er findet, dass ihm das gelungen ist. „Vor allem die Kinder- und Jugendarbeit zu verstärken, war mein Ziel, und das hab ich gemacht.“ Der neu gegründete Jugendchor hat sich gut entwickelt, die Jugendlichen sind mit Freude und Eifer dabei. Und obschon die Kinderchöre keine Selbstläufer seien, sind zurzeit immerhin 80 Kinder dabei. Eines übrigens mit dem Nachnamen Schymalla. Und nächstes Jahr sind es dann sogar zwei: Dann hat Sohnemann Jakob nämlich Brüderchen Felix auch im Chor an seiner Seite.