1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Wundern auf dem Friedhof

Hospiz-Projekt Wundern auf dem Friedhof

Die Viertklässler der Bilingualen Grundschule „Altmark“ in Stendal nehmen am Projekt „Hospiz macht Schule“ teil.

Von Donald Lyko 06.04.2017, 18:43

Stendal l Die vielen Wege ähneln einem Labyrinth, viele Blumen, verwitterte Grabsteine mit kaum noch lesbarer Schrift, Klebezettel der Friedhofsverwaltung an einigen Steinen – nur vier Beispiele für Antworten, die die Schüler der vierten Klassen der Bilingualen Grundschule „Altmark“ am Mittwochmittag nach einem Besuch des Stendaler Friedhofes auf ihren Aufgabenzetteln notiert haben. Drei Dinge, die mir auffielen, die ich anderen erzählen möchte, die mich wundern oder erstaunen – danach war gefragt an diesem dritten Tag der Projektwoche „Hospiz macht Schule“. Die hatte der Ambulante Hospizdienst Stendal schon in den vergangenen Jahren veranstaltet. Die jetzige ist die fünfte dieser Art an der Grundschule, ein Friedhofsbesuch stand bisher nicht auf dem Programm. „Aber heutzutage gehört es für die meisten Kinder nicht mehr zum Alltag dazu, mit den Eltern oder Großeltern zur Grabpflege mit auf den Friedhof zu gehen“, erklärt Gundis Gebauer, Koordinatorin des Ambulanten Hospizdienstes Stendal, die Neuerung. Eine Stunde lang gingen die Schüler mit ihren Gruppenleitern – Ehrenamtlichen des Hospizdienstes – über den Friedhof, schauten sich dabei auch den Teil mit den jüdischen Gräbern an.

Sich um die letzte Ruhestätte seiner Angehörigen zu kümmern, diesen Platz zum Trauern und Erinnern zu haben – viele finden darin Trost nach dem Verlust. Trost, er ist nur ein Aspekt der fünftägigen Projektwoche. Es geht ums Werden und Vergehen, um Krankheit und Leid, Sterben und Tod, ums Traurigsein und eben um Trost und Trösten. Mit den Ehrenamtlichen nähern sich die Schüler auf ganz unterschiedliche Weise diesen Begriffen: in Gesprächen, mit Filmen und Büchern, mit kreativem Arbeiten, mit Geschichten und seit diesem Jahr eben auch mit einem Besuch auf einem Friedhof. Kost, die für Dritt- und Viertklässler zu schwer scheint.

Nein, sagt Gundis Gebauer: „Die Neun- und Zehnjährigen haben noch eine gewisse kindliche Neugier. Sie haben meist noch keine eigenen traurigen Erfahrungen und noch keine eigene Betroffenheit.“ Darum sind die Schüler auch sehr offen und interessiert, wenn sie mit den Ehrenamtlichen des Hospizdienstes, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigen und ausgebildet sind, über Sterben, Tod und Trauer reden, meist in Gruppenarbeit, mal in großer Runde. Am Dienstag war unter anderem ein Stendaler Arzt zu Gast, dem die Kinder ihre Fragen zu Krankheiten stellen konnten.

Wenn die Projektwoche heute mit einem Abschlussfest ausklingt, dann soll eine wichtige Erkenntnis die Schüler erreicht haben: Leben und Sterben gehören zusammen.