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Wirtschaft im Harz Ein Manager, der gern nachsitzt

Franz Mnich, vernetzt mit den Großen der Automobilindustrie, hat in Wernigerode die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich mit gestaltet.

Von Regina Urbat 16.08.2016, 22:00

Wernigerode l Am 10. Juli ist er 65 geworden. An den Ruhestand denkt Franz Mnich jedoch noch nicht primär. „Für das Szenario habe ich Zeit bis Januar. Solange muss ich bis zu meinem offiziellen Renteneintritt nachsitzen“, sagt der Wernigeröder und schmunzelt darüber.

Dass er gern nachsitzt, wird im Gespräch mit der Volksstimme schnell deutlich. Der Geschäftsführer der Microvista GmbH in Blankenburg ist mit seinem gleichberechtigten Geschäftspartner Lutz Hagner (gleichzeitig Chef von NetCo Blankenburg) erfolgreich am Markt. Das Klima in dem mittelständischen Unternehmen ist sehr angenehm, die neun angestellten Mitarbeiter plus Saisonkräfte sind hoch motiviert.

Microvista ist über Deutschland hinaus einer der führenden Dienstleister für Mess- und Prüfverfahren mittels Computertomographie (CT). Die rund 150 Kunden kommen hauptsächlich aus der Automobilbranche, zahlreiche aus der Chemieindustrie, dem Maschinenbau, der Werkzeugherstellung, dem Elektromotorenbau, der Luft- und Raumfahrt sowie der Archäologie.

Mit dem CT-Verfahren können Bauteile aus Aluminium, Stahl und insbesondere Kunststoff zerstörungsfrei und bis zu Mikrometer auf Materialfehler untersucht werden. Zudem können so innere Konturen von Bauteilen geprüft und gemessen werden, ohne beispielsweise einen Zylinderkopf aufschneiden zu müssen. Der CT scannt das Bauteil und die Software entwickelt daraus ein dreidimensionales Bild.

Zur Dienstleistung gehört die Auswertung hinsichtlich Poren und Hohlräumen - Lunker - sowie auch die Bereitstellung sogenannter CAD-Daten. Und in dieser Hinsicht hat Microvista weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. „Wir können mit einem unserer CTs sehr schnell scannen, ebenso schnell können wir die Auswertung liefern“, sagt Franz Mnich. Die Software dafür sei eigens im Haus entwickelt worden.

Das schnelle CT-Verfahren wird hauptsächlich bei der Serienprüfung von Bauteilen auf Qualität aus der laufenden Produktion, bei der Produktentwicklung und Optimierung von Fertigungsprozessen bis hin zur Analyse von Prototypen angewandt.

Für Letztere ist Microvista ein wichtiger Innovationsträger, zumal mit dem hochmodernen CT-Verfahren Entwicklungszeiten und -kosten reduziert werden können. Und außerdem weiß der Spezialist für Computertomographie zur Qualitätsbewertung, wohin die Reise geht, zum Beispiel in der Automobilindustrie. „Das Elektroauto ist auf dem Vormarsch“, sagt Franz Mnich. Mehr erlaubt die Geheimhaltungsklausel, die in dieser Branche zum Geschäft gehört, nicht.

Dafür plaudert er über eher seltene Teile, die in einem der drei Computertomographen untersucht wurden. Beispielsweise das Schwert von Rudolf II. (1552-1612), dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, König von Böhmen und Ungarn sowie Erzherzog von Österreich. Aufgabe sei es gewesen, eine Nachbildung des völlig verrosteten Schwertes per Lasersinterverfahren herzustellen.

Aufschlüsse für die Archäologie brachte auch die äußerst vorsichtige Untersuchung eines Erdklumpens bei Microvista. Der Fund wurde rekonstruiert und erwies sich als Tonkrug, gefüllt mit Schmuck, vermutlich eine 3500 Jahre alte Grabbeilage. Das in Blankenburg dazu angefertigte Video wird nun im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle gezeigt.

Zu den seltenen gescannten Teilen gehören auch Fische. Auftraggeber sind Hersteller von Filetiermaschinen, die die Einstellung der Messer prüfen beziehungsweise optimieren möchten, berichtet Franz Mnich und fügt hinzu: „Es ist immer wieder aufs Neue spannend.“

Das trifft auch für den beruflichen Werdegang von Franz Mnich zu: Erst Planwirtschaft, dann Marktwirtschaft in einem erfolgreichen Familienbetrieb, später in einem großen Weltkonzern und nun selbstständiger Unternehmer. „Frage Sie nicht, was besser war“, sagt der gebürtige Vorharzer, der stets nach vorn schaue, sich mit Vergangenem nicht aufhalte, lieber neuen Herausforderungen stelle.

Seine Karriere startete der Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik nach dem Studium an der Technischen Universität Magdeburg 1974 im Metallgusswerk (Megu) Wernigerode. In der Wendezeit gehörte er zu den Ingenieuren, die Mut zeigten, den Treuhandbetrieb mit umzustrukturieren, bevor Megu 1993 privatisiert und vom Unternehmer Harald Rautenbach wieder übernommen wurde. „Das war ein Glücksfall“, sagt Franz Mnich.

Mit 150 Beschäftigten sei damals gestartet worden, rasant schnell entwickelte sich die Rautenbach-Guss zum größten Familienunternehmen in Deutschland, das Zylinderköpfe produzierte. Mnich gehörte zu den Machern, leitete die Rautenbach-Aluminium-Technologie GmbH und rückte 1997 in den Vorstand der Rautenbach AG. Er war der Drahtzieher, um die Großen der Automobilbranche als Kunden zu gewinnen. Ebenso engagierte er sich bei der Forschung und Entwicklung sowie als Netzwerker.

Als Franz Mnich 2005 als Vorstandsvorsitzender die Gesamtverantwortung für die Rautenbach AG übernahm, stand der Verkauf an die Nemak-Gruppe zur Debatte. Der längst in Wernigerode heimisch Gewordene sperrte sich nicht, „obwohl ich anfangs vom Verkauf nicht begeistert war“. Er kooperierte mit den Mexikanern, brachte seine Erfahrungen und sein Know-how ein, um Geschäftsfelder in China, Indien und anderen Ländern weltweit zu akquirieren. „Im Hinterkopf hatte ich schon den Gedanken, eine eigene Firma zu gründen.“

Das tat der Vielflieger und Weltenbummler 2008 im Harz, fand in Lutz Hagner den Partner, wie er sagt. Mnich, der Manager mit hervorragenden Verbindungen zu Entwicklern in der Automobilszene, Hagner, der exzellente Messtechniker und IT-ler. Gemeinsam mit der Harz AG, deren Anteile das Duo drei Jahre später übernahm, wurde Microvista ins Leben gerufen; es wurden damals 2,5 Millionen Euro investiert.

Eine Investition, die sich längst ausgezahlt hat, sagt Franz Mnich, der rückblickend mit seinen Entscheidungen zufrieden sei. Um diese oder jene zu treffen, benötige er wenige Indikatoren. „Nur beim Blick in die Speisekarte, da lasse ich mir sehr viel Zeit“, sagt er und lacht.

Er sei kein zögerlicher Typ, verliere sich nicht in unwichtigen Dingen, die nur Zeit kosten. Nur so ist es wohl auch zu erklären, dass Franz Mnich neben seinem Job als Unternehmer all die vielen anderen Aufgaben stemmt. Der Inhaber mehrerer Patente gehört zu den sieben Gründungsmitgliedern des 1999 ins Leben gerufenen Vereins Sachsen-Anhalt Automotive (MAHREG), war Kurator der Fraunhofer-Gesellschaft in Chemnitz und Vizepräsident des Verbandes der Deutschen Gießereifachleute.

Heute ist er Kuratoriumsvorsitzender der Hochschule Harz, Technischer Berater der Landesbank Baden-Württemberg, Beiratsvorsitzender der Piller GmbH und engagiert sich im Wirtschaftsbeirat des Ministerpräsidenten des Landes sowie als Vorstand der Stadtwerkestiftung Wernigerode. Rückhalt für dieses Pensum haben ihm stets seine Frau und Tochter gegeben. Und sein Garten.

Er sei ein leidenschaftlicher Hobbygärtner und ein Vogelfreund. Selbst auf dem Firmengelände Am Mönchenfelde in Blankenburg hat Franz Mnich mehrere seiner selbst gebauten Nistkästen aufgestellt. Ausgleich und Entspannung findet er auch in einem weiteren Hobby: der Modellfliegerei. Deshalb auch seine Geburtstagsparty am heutigen Mittwoch mit Freunden und Wegbegleitern im Flugzeugmuseum in Wernigerode. Das liegt nahe, ebenso wie das einstige Unternehmen im Gießerweg, wo die berufliche Karriere des 65-Jährigen begann – und noch nicht zu Ende ist.