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Volkstheater Experte hilft bei tollkühner Idee

Im Jahr 2017 ist in der Nuthestadt ein ambitioniertes Projekt geplant. Das Zerbster Prozessionsspiel soll neu inszeniert werden.

Von Katrin Wurm 16.11.2015, 14:00

Zerbst l Jahrhundertelang schlummerten die einst verschollen gegangenen Text- und Regiebücher des Zerbster Prozessionsspiels im Historischen Zerbster Stadtarchiv. Dann entdeckte Archivar Hannes Lemke die spätmittelalterlichen Texte wieder – eine Sensation.

In Zusammenarbeit mit Alexander Stojanowic, Vikar der Pfarrei St. Peter und Paul, sowie Albrecht Lindemann, Pfarrer von St. Bartholomäi, übertrug er die einzelnen Passagen der heute schwer verständlichen Schrift ins moderne Deutsch. Zudem wurden den Passagen zum besseren Verständnis erklärende Kommentare hinzugefügt. Das Buch erschien kürzlich in einer Auflage von 1000 Exemplaren (die Volksstimme berichtete).

Gleichzeitig entstand die Idee, das Zerbster Prozessionsspiel erneut aufzuführen. Denn das war schon vor über fünf Jahrhunderten der Sinn des Prozessionsspiels: Die wichtigsten Kapitel der Bibel wurden in einem kostümierten Umzug aufgeführt. Damit brachten Bürger die Heilige Schrift auf die Straße. Das Besondere: Es konnten alle Zerbster mitwirken, ganz egal welchem Stand sie angehörten. So waren Bürger, Bauern und einfache Leute ebenso beteiligt, wie der Rat der Stadt oder der Niederadel.

Schon während der Buchpräsentation wurde deshalb eine Wiederholung dieser Aufführung verkündet. „Mit der Aufführung des Zerbster Prozessionsspiel bringen wir uns mit unserer reichen Stadtgeschichte ins Lutherjahr 2017 ein“, begründet Bürgermeister Andreas Dittmann. „2017 wollen wir die Uhr ein Stück zurückdrehen“, schließt er an.

Mit Prof. Dr. Hans-Rüdiger Schwab hat man sich einen Experten als künstlerischen Leiter ins Boot geholt. Am Freitagabend stellt er in der St. Bartholomäi erste Ideen zur Aufführung des Zerbster Prozessionsspiels vor. „Ich kenne Dr. Schwab schon länger und habe ihm vom Zerbster Prozessionsspiel berichtet. Wir sind sehr begeistert, dass er uns bei der Umsetzung der Idee hilft“, freut sich Pfarrer Albrecht Lindemann.

Schwab, als Hochschulprofessor nicht um Worte verlegen, greift sich das Mikrofon und stellt seine Ideen zur Umsetzung vor. „Es müssen viele mitwirken. Dabei könnten die vielen kleinen und großen Vereine in der Stadt und in den Ortschaften eine wichtige Rolle spielen“, sagt der studierte Germanist und Theologe aus Süddeutschland. Er war unter anderem Dramaturg am Schauspielhaus in Zürich und Leiter der Redaktion „Kunst und Kultur“ beim Bayerischen Fernsehen in München. Seit 1996 ist er als Professor für Kulturpädagogik an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, in Münster, tätig.

„Mich treibt die Faszination für das Prozessionsspiel an“, sagt Schwab über seine neue ehrenamtliche Tätigkeit in Zerbst. Es gebe relativ wenige Prozessionsspiele, auch das sei ein Grund für sein Engagement. „Mich interessiert, wie man die Dinge lebendig machen kann und die Form der Spiegelhaftigkeit. Was gab es früher, was es heute nicht mehr gibt? Und wo gibt es Gemeinsamkeiten? Wir sollten bei der Erarbeitung des Prozessionsspiels vor allem reflektierend arbeiten“, sagt der Experte.

Er stellt sich jedoch vor, dass die Aufführung an einem Ort stattfindet. „Damals war es ein Umzug. Aber schon aufgrund der Verkehrsbegebenheiten und der Menge an teilnehmenden Leuten wäre ein einziger Aufführungsort ratsam. Ich halte die Kirchenruine St. Nicolai für denkbar. Dort zeigt sich auch das Bild des Verfalls sehr gut“, präsentiert Schwab einige Ideen.

Der Informationsveranstaltung mit Prof. Dr. Hans-Rüdiger Schwab sollen nun weitere Veranstaltungen mit interessierten Bürgern, also potenziellen Teilnehmern am Prozessionsspiel, folgen. Dafür hat Schwab schon einen längeren Aufenthalt in Zerbst Anfang nächsten Jahres eingeplant.