Anhaltisches Theater Das Fremde so nah

Die 222. Saison des Anhaltischen Theaters ist seit dem Wochenende eröffnet. Das Motto lautet „Das Fremde so nah“.

Von Andreas Behling 05.09.2016, 23:01

Dessau l Der Auftakt unter dem Motto „Das Fremde so nah“ hatte gute Gründe. Wenn Richard Wagners romantische Oper „Der fliegende Holländer“ die erste Premiere der 222. Spielzeit des Anhaltischen Theaters ist, dann liegt es nahe, mit bekannten Melodien aus diesem Werk den Start in die Saisoneröffnung zu vollziehen. Also waren an dem mildwarmen Spätsommerabend zuerst die Herren des Opernchors gefordert, das vielköpfige Publikum auf dem Theatervorplatz mit dem kräftigen „Steuermann, lass die Wacht“ auf die kommenden knapp zwei Stunden einzustimmen.

Nicht nur für den Generalintendanten Johannes Weigand, der kurz und knackig durch das Programm führte, wird es spannend sein, wie sich die Inszenierung am von ihm geführten Haus - am 1. Oktober ist Premiere - von den zwei anderen in Sachsen-Anhalt unterscheidet. Bei den Hallensern erlebt der Klassiker, für den die Fans weit weniger Ausdauer aufbringen müssen als etwa für „Die Götterdämmerung“, am 23. September seinen Stapellauf. Die Magdeburger ziehen am 21. Januar 2017 nach.

Unterbrochen vom launigen Ausschnitt aus „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“, bei dem Andreas Hammer gegenüber Mirjana Milosavljević und Stephan Korves Schillers Franz Moor mit Othello, dem Mohren von Venedig, verwechselte, blieb der Name Wagner zunächst dominant. Cosima Wagner, die zweite Ehefrau des „Ring“-Komponisten, inszenierte nämlich im Musentempel an der Mulde die dritte Aufführung von Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“.

Ausschnitte aus dem 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführten Märchenspiel - in Dessau sitzt Weigand selbst am Regiepult - präsentierte neben Rita Kampfhammer und Cornelia Marschall der von Iordanka Derilova und Ulf Paulsen unterstützte Kinderchor. Noch ein wenig im Walde verharrten der in die Stadt zurückgekehrte Generalmusikdirektor (GMD) Markus L. Frank und die Anhaltische Philharmonie mit August Klughardts „Der Jäger“. Klughardt (1847-1902), in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Hofkapellmeister in Dessau, wird mit seiner Suite „Auf der Wanderschaft“ in einem der acht Sinfoniekonzerte zu hören sein, die ganz im Zeichen des 250. Jubiläums der Philharmonie stehen.

Den nautischen Faden des Starts aufgreifend, schlüpfte Mirjana Milosavljević in die Rolle der Seeräuber-Jenny aus Kurt Weills „Dreigroschenoper“. Dessen erstes Bühnenwerk „Zaubernacht“ (1922), von Ballettdirektor Tomasz Kajdański eigens für das Alte Theater in Szene gesetzt, leitete dann zum mit Spannung erwarteten ersten Auftritt von Elisa Gogou über. Die gebürtige Griechin, die Philharmonie in schwarzer ärmelloser Schößchenbluse dirigierend, übernimmt nach Stationen in Erfurt, Meiningen und Bielefeld ab der neuen Spielzeit das Amt der 1. Kapellmeisterin und Stellvertreterin des GMD.

Unter Gogous präziser Leitung gewährten Rita Kampfhammer und Ray M. Wade, Jr. - der texanische Tenor bewies enorme stimmliche Präsenz - Einblicke in die Oper „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns. In einer konzertanten Fassung wird das Werk im kommenden Juni seine Premiere feiern. Nicht minder interessant dürfte der Doppelabend werden, der für den 1. April 2017 vorbereitet wird. Er besteht aus „Cavalleria rusticana“, dem Einakter von Pietro Mascagni, und „A Santa Lucia“.

Dessaus Operndirektor Felix Losert ist es zu verdanken, dass die Geschichte aus der Feder des Sizilianers Pierantonio Tasca, deren Handlung in Italiens Moloch Neapel spielt, vom Publikum wiederentdeckt werden kann. Das Duett, das Iordanka Derilova und Ray M. Wade, Jr. zu Gehör brachten, verspricht jedenfalls einen Genuss vom Feinsten. Eine Erwartungshaltung, die Bärbel Hoffmann mit einem ergreifenden Solo auf der Mandoline noch unterstrich.

Mit einem Novum wartet auch „Lady Hamilton“ von Eduard Künnecke auf. Wie Weigand verriet, ist in der Operette, die sich in freier Bearbeitung dem Leben der skandalumwitterten Emma Hamilton, der Geliebten Lord Nelsons, in beschwingter Art und Weise widmet, erstmals ein Saxophon-Satz integriert. „Seien Sie gerührt! Seien Sie empört! Seien Sie aber nie gelangweilt!“ rief der Intendant zum Abschied mit einem Ohrwurm aus dem Musical „Sugar - Manche mögen’s heiß“ aus, pünktlich die Menge auf den Umzug zum Bauhaus-Fest schickend.

Und mit dessen Motto „Zirkus, Zirkus - von Schwarz nach Weiß“ hatten die Damen und Herren des Orchesters aufgrund ihrer dienstlichen Garderobe die wenigsten Probleme.