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Karneval Zerbst Jecken lassen Stimmung im Saal brodeln

„Zerbster Geh- und Radwege? Hals- und Beinbruch!“ lautet das provokant-freche Motto der 39. Session des Zerbster Carnevalclubs.

Von Thomas Kirchner 01.02.2017, 06:05

Zerbst l „Verdammt nochma, diese Fuß- un Radweje hier in Zerbst. Jrauenhaft! Eijentlich Uffjabe vons Zarbster Ordnungsamts, diese Misstände hier ma beheem zu lassen.“ Mit dieser Meinung steht Klaus (Klaus Thielen) wohl nicht alleine, denn schon ist Klaus‘ Nachbarin Rita (Rita Wittig) zur Stelle, die sein Meckern mitbekommen hat. „Ordnungsamt? Hier in Zarbst? Jibts denn sowat hier üwwerhaupt noch?“, mischt sich Rita in sein Selbstgespräch. „Was hamm sie denn jemacht?“, will Klaus wissen, denn Rita hat den linken Arm in Gips. „Ich bin jestürzt, denn bin ich inne Notaufnahme vons Krankenhaus. Vier Stunden hab‘ ich jewartet, un verstanden hat mich keener!“, schimpft Rita . „Ja, bei so vill ausländische Ärzte da, kann sowat passieren“, entgegnet Klaus.

Da scheint es der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann medizinisch besser getroffen zu haben. Auch er kommt mit Krücke und reichlich lädiertem Gesicht zur ersten Prunksitzung der Zerbster Karnevalisten in die Friesenhalle. Wurde er doch schon bei der Rathausschlüsselübergabe an die Jecken mit einer mobilen Krankenstation zum Rathaus kutschiert, wird er nun von einer Krankenschwester mit Notfallkoffer in den Saal gebracht. Auf die Frage, ob er noch immer mit den alten Verletzungen zu kämpfen habe oder ob er erneut auf den heimatlichen Wegen ins Straucheln gekommen sei, lächelt der Bürgermeister nur.

Zur Eröffnung des Abends gibt es viel Musik und Tanz auf der Hallenbühne. Nach dem traditionellen Einmarsch verliest das Prinzenpaar, ihre Lieblichkeit Britta I. und seine Tollität Sven III., die Proklamation, besteigt den Thron und nimmt in alter Gewohnheit einen Begrüßungsschluck aus dem knallroten Kelch. Im Anschluss legen die Prinzengarde und die Tanzmariechen eine flotte Sohle aufs Parkett. Mit leichten Füßen und Spagat an Spagat begeistern sie das Publikum. Marschtanz, hoch die Beine, und das in perfekter Choreographie.

Die Marktschreier eröffnen den Abend musikalisch. Die sieben Sangesfreunde rufen allen stimmungsvoll zu: „Jetzt geht es los“ und „Narren kommen jetzt zusammen“. Und sie sind gekommen, die Zerbster Narren. Kein Stuhl bleibt leer.

Showtalent beweisen auch die Jüngsten. Als Tiere verkleidet führen die „Tanzmäuse“ ihren Showtanz auf. Dabei brauchen sich die Mäuse nicht vor den Ratten verstecken. Professionell absolvieren sie ihre „Bauernhof“-Tanzperformance. Und der Saal jubelt. Auch die Kleinen werden nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen.

Lutz (Lutz Voßfeldt) und Ex-Praktikantin Linda (Linda Tetzner) teilen sich seit kurzem ein Büro in der Zerbster Stadtverwaltung. Lutz macht sich so seine Gedanken, was denn Herr Dittmann für kleine Päckchen aus China bekommt. Da solle Opium drin sein. Sogleich spinnt Linda den Faden weiter. „Womöglich treffen sich dann Dittmann und Herrmann im Schlosskeller bei den Fledermäusen auf einen Joint und anschließend wird ohne die gewünschte Detailtreue und ohne Zustimmung des Bauausschusses ein zweites Teehäuschen auf dem Schlossdach errichtet“, mutmaßt die Neu-Kollegin.

Während Linda und Lutz wahrscheinlich noch immer stundenlang das Rathaus, Gott und die Welt analysieren und dabei das Arbeiten vergessen, gehört die Bühne wieder dem Tanz und dem Gesang. Die „Firedancers“ tanzen zum Soundtrack aus „Alice im Wunderland“ und die „CCZ Girls“ verleihen ihrer Forderung musikalisch Nachdruck: „Ich will tanzen...“, was beides gleichermaßen Jubelstürme im Publikum ausbrechen lässt.

Wer schon länger verheiratet ist, der weiß, dass es selten ohne Sticheleien und kleine Seitenhiebe abgeht. Das ist bei „Schatz und Schatzi“ nicht anders. Während „Schatz“ (Thomas Thiele) darüber philosophiert, was Frauen und Krawatten gemeinsam haben – man(n) sucht sie sich bei schlechtem Licht aus und dann hängt sie einem ein Leben lang am Hals – merkt Schatz, dass sein rotes Hemd aus der vorderen Hosenöffnung hängt und hüpft aufgeregt umher. Da kommt von „Schatzi“ (Annette Voßfeldt) prompt die Krawatten-Retourkutsche. „Wie sacht man so schön, wenn dor Kanarienvorel dot ist, kann dor Käfich och uff bleim.“ Da dürfte so mancher im Publikum neben dem lauten Lachen auch innerlich geschmunzelt haben.

Zwischendrin begrüßt Präsident Dietmar Mücke die Gäste des Abends. Gekommen sind neben den vielen Senatoren, die die Jecken auch finanziell unterstützen, unter anderem Alt-Bürgermeister Helmut Behrendt und Landtagsmitglied Holger Hövelmann. Sie alle erhalten den diesjährigen Karnevalsorden. Zu Besuch ist auch eine Abordnung von der befreundeten brandenburgischen „Erkneraner Woltersdorfer Karnevalgemeinschaft“ mit ihrem Prinzenpaar Astrid I. und Thomas I.

Bei den „Dancelights“ hat ein Cowboy (Christian Neuling) die Qual der Wahl. Wo er auch hinschaut, nur entzückende Damen um ihn herum. Da wird ihm ganz wirr. „Frauen – Heldinnen des Alltags“ nennen die „Crazy Mamas“ ihre Tanzdarbeitung. Sie sind ständig in Bewegung und der Gatte (Christian Neuling) sitzt, lässt sich bedienen und zieht sich das Bier rein. Das dürfte so mancher Dame im Saal bekannt vorgekommen sein.

Auch Frau Zinklatte hat so ihre Probleme mit dem Gatten. Im Laufe der Jahre wäre der Kerl immer misstrauischer geworden, beklagt sie sich. Eines Tages sei der doch in der Mittagspause unerwartet nach Hause gekommen und blubbert sie an, warum sie denn hier nackig rumrenne. „Ich habe nichts zum Anziehen“, blubbert die Zinklatte zurück. Da reist der Gatte den Schrank auf und fängt an rumzuschreien: „Was ist das? Hier das grüne Kleid, das blaue, das rote, gelbe, Tach Paul, das lila Kleid...“. Es wäre ja auch unerhört, so unangemeldet nach Hause zu kommen, beschwert sich Frau Zinklatte.

Zum Abschluss feiert das „Männerschlossballet“ einen Junggesellenabschied auf dem Zerbster Oktoberfest. Die Jungs lassen sich volllaufen, verschlafen und die Braut wartet vergebens am Standesamt. Spätestens jetzt brodelt der Saal. Es folgt eine kurze Zugabe. Doch damit lassen sich die johlenden Gäste nicht abspeisen. Nach Rufen wie „Wir woll´n von vorne sehen“ hieß es für die Jungs, alles auf Anfang. Da lief am Ende der Schweiß.

Und im großen Finale wird gefragt: „Wer hat an der Uhr gedreht?“