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Vor 25 Jahren trat letzte DDR-Regierung Amt an Nach sechs Monaten war Schluss

11.04.2015, 01:26

Berlin (dpa) l Der Anfang war chaotisch. Bevor sich die erste frei gewählte DDR-Regierung in die Arbeit stürzen konnte, gab es am 12. April 1990 stundenlange Debatten in der Volkskammer. Gestritten wurde in dem neu formierten Parlament über den Eid, die Geschäftsordnung sowie die Wahl der Minister. Einzeln oder doch im Block?

Die Abgeordneten vom Bündnis 90/Grüne verließen aus Protest den Saal im Palast der Republik in Ost-Berlin. Eine Abgeordnete der SED-Nachfolgepartei PDS schimpfte, ihre Partei mache das "Spielchen einer Scheindemokratie" nicht mit. Am Ende des turbulenten Tages stand jedoch die Regierung aus der Allianz für Deutschland, SPD und Liberalen. Ministerpräsident wurde Lothar de Maizière von der Ost-CDU. Kaum hörbar nahm de Maizière die Wahl "mit Gottes Hilfe" an.

Allianz gewinnt die Wahl

Überraschend hatte bei der Volkskammerwahl am 18. März die Allianz aus CDU, Deutscher Sozialer Union (DSU) und Demokratischem Aufbruch (DA) gewonnen. Kritiker monierten schon damals den massiven Einsatz westdeutscher Politiker im Wahlkampf. Während Allianz-Spitzenkandidat de Maizière einräumte, der Marktplatz sei nicht seine Sache, tourte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) durch die DDR und versprach Wohlstand und eine schnelle Vereinigung. Die Massen jubelten ihm zu.

In der neuen Regierung wurden Spannungen schnell deutlich. "Die Verhandlungen verliefen schon mehr nach Parteisträngen" - das habe die ohnehin schwache Position der DDR bei den Gesprächen zum Einigungsvertrag mit der Bundesregierung nicht unbedingt gestärkt, erinnert sich der damalige DDR-Außenminister Markus Meckel (SPD).

Seine Partei stellte sieben der 23 Minister. Die CDU war mit zehn Ministern stärkste Kraft, die DSU bekam zwei und der Demokratische Aufbruch einen Ministerposten. Die Liberalen stellten drei Minister.

Bis heute sei vielen nicht bewusst, dass die Koalitionsregierung die Einheit verhandelt habe, sagt der 62-jährige Meckel heute. Für ihn sei das ein zentraler Punkt. Die friedliche Revolution habe die Bürger der DDR stark geprägt. "Wir Ostdeutschen sind selbstbewusst und aufrechten Ganges in die Einheit gegangen", so der letzte DDR-Außenminister.

Die Regierung auf Zeit löste sich samt DDR am 3. Oktober 1990 auf. Für ihn sei es ein "Abschied ohne Tränen" gewesen, bekannte de Maizière später. Andere waren skeptischer. So warnte die SPD-Politikerin Regine Hildebrandt lautstark, dass viele Ostdeutsche arbeitslos werden könnten. Im wiedervereinten Deutschland setzte sich die engagierte Politikerin dann als Sozialministerin in Brandenburg für die Belange der Ostdeutschen ein. 2001 starb sie.

Einmal wäre die DDR-Regierung beinahe aus den eigenen Reihen überrumpelt worden. Ein Antrag der DSU vom 17. Juni 1990, den Beitritt zur Bundesrepublik "mit dem heutigen Tage" zu vollziehen, wurde von einer Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten unterstützt. Nur mit Mühe gelang es de Maizière, den Antrag "zur sorgfältigen Überprüfung" in einen Ausschuss zu verschieben.

Der erste Meilenstein auf dem Weg zur Einheit war die Einführung der D-Mark. Am 1. Juli 1990 bekamen die Noch-DDR-Bürger das begehrte Westgeld. Bereits in den ersten Stunden nach der Währungsunion zahlten die Banken schätzungsweise 2,6 Milliarden D-Mark im Verhältnis 1:1 aus. Doch das änderte nicht viel an der maroden Lage der DDR-Wirtschaft.

Viele Rücktritte

Im Sommer 1990 protestierten vor allem Bauern wegen erwarteter Massenentlassungen in der Landwirtschaft. Ministerpräsident de Maizière machte Landwirtschaftsminister Peter Pollack (parteilos, SPD) aus der Altmark verantwortlich und entließ ihn kurzerhand.

Auch Finanzminister Walter Romberg (SPD), der vor Privatisierungen mit ungewissen Folgen gewarnt hatte, musste seinen Stuhl räumen.

Wirtschaftsminister Gerhard Pohl (CDU) und Justizminister Kurt Wünsche (parteilos) reichten von sich aus Rücktrittsgesuche ein.

Der Koalitionspartner SPD trat aus Protest gegen die Entlassung seiner Minister postwendend aus der Regierung aus. Wolfgang Thierse, Chef der Ost-SPD, kritisierte damals ein "unwürdiges, parteitaktisches Zusammenspiel" zwischen Kohl und de Maizière.

Die frei gewordenen Ministerposten wurden nicht mehr neu besetzt.