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Parlamentswahl Großbritannien Camerons Position in EU gestärkt

Mehrheit für Cameron: Großbritannien wird in den nächsten fünf Jahren stramm konservativ regiert. In wichtigen Politikbereichen wird sich der erstarkte Premier dennoch bewegen müssen.

Von dpa 09.05.2015, 01:27

London l Premierminister David Cameron ist von den Wählern beeindruckend deutlich im Amt bestätigt worden. Der Wahlkampf hat aber auch offenbart: Großbritannien ist ein Land mit immensem Reformbedarf - und vielen Baustellen.

Cameron wird das britische Verhältnis zur Europäischen Union zur Abstimmung stellen - das hat er unmittelbar nach seiner Wiederwahl ungefragt bestätigt. Kommen wird es "eher früher als später", sagt der Londoner Politik-Professor Tony Travers. Es könnte also schon 2016 der nächste Urnengang für die Briten anstehen. "Cameron wird in Brüssel ein paar Kleinigkeiten heraushandeln und die zu Hause als große Reformen verkaufen", sagt Wahlforscher Peter Kellner.

Die Stimmung in Volk und Wirtschaft ist derzeit eher pro EU - allerdings ist die absolute Mehrheit für Camerons Ziel, in der EU zu bleiben, auch gefährlich. Die Hardliner in seiner Partei haben an Einfluss gewonnen. Dennoch: Cameron und sein Finanzminister George Osborne werden alles tun, um in Europa zu bleiben. Schon alleine, um die Wünsche der mächtigen Banken in der Londoner City zu erfüllen.

Was passiert mit Schottland?
Die Unabhängigkeitsbewegung hat beim Referendum im vergangenen September Lunte gerochen - und jetzt einen überwältigenden Sieg errungen. "Der schottische Löwe hat gebrüllt", sagt der künftige Fraktionschef der schottischen Nationalisten in Westminster, Alex Salmond, noch in der Wahlnacht. Seine Parteichefin Nicola Sturgeon und er werden nicht lockerlassen, für die Unbhängigkeit zu werben und ein zweites Referendum anstreben - haben es aber damit nicht eilig. Auch hierfür ist die absolute Mehrheit ein Risiko. Anders als bisher ist Schottland auf den Regierungsbänken des Parlaments praktisch nicht mehr vertreten.

Die Rufe, Großbritannien brauche dringend ein neues Wahlrecht, dürften verstummen - auch wenn sie berechtigter sind, denn je. Das einfache Mehrheitswahlrecht, das der Erststimme im deutschen System gleichkommt, bleibt ungerecht. Beispielsweise bekam die schottische SNP mit rund 1,5 bis 2 Millionen Stimmen 56 Mandate, die rechtspopulistische UKIP mit der doppelten Stimmenzahl nur zwei. Das Argument für diese Form von "The Winner takes it all" war stets, es schaffe klare Mehrheiten und vermeide Unsicherheiten. Dies wurde genauso überraschend wie eindrucksvoll bestätigt.

Cameron hat am Freitag noch im Morgengrauen die Stimme erhoben und erklärt: "Die Einheit des Vereinigten Königreichs ist die wichtigste Aufgabe." Zuvor hatte dies bereits Wahlverlierer Ed Miliband fast wortgleich erklärt. Großbritannien muss dringend eine Föderalismus-Debatte führen, will es ein Abbröckeln an seinen regionalen Rändern verhindern und das Königreich weiter vereinigt halten.

Neben Schottland gibt es auch in Wales Anti-Westminster-Tendenzen, Nordirland bleibt ohnehin ein schwieriges Pflaster, das Wohlstandsgefälle von Süd nach Nord ist enorm. Und viele im Kernland England fühlen sich bereits von den vielen Zugeständnissen in Richtung Edinburgh oder Cardiff übervorteilt.

Wie geht es den Briten wirtschaftlich?
Großbritannien knabbert weiter an den Folgen der Banken- und Finanzkrise. Das Staatsdefizit ist seit Jahren über der Maastricht-Grenze. Doch Cameron beharrt: "Großbritannien ist heute ein sehr viel stärkeres Land als vor fünf Jahren." Der Premier hatte sich im Wahlkampf mit einem Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent gerühmt - das höchste in den G-7-Ländern. Kritiker hatten ihm stets vorgeworfen, das Wachstum sei vor allem durch Zentralbank-Interventionen, nicht durch reale Wirtschaftsleistung entstanden und damit nicht nachhaltig.

Die jüngsten Entwicklungen scheinen den Skeptikern recht zu geben. Im ersten Quartal halbierte sich das Wachstum auf 0,3 Prozent, die Steuerschätzung fiel schwächer aus und der Pfundkurs gab nach. Der Umbau der Wirtschaft von einer starken Ausrichtung auf Dienstleistungen hin zu mehr tatsächlicher Produktion stottert.