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Morgen beginnt die neue Initiative gegen Kindesmissbrauch / Maßnahmen der vergangenen Jahre Der Runde Tisch fängt nicht bei Null an

Von Bettina Markmeyer und Jutta Wagemann 23.04.2010, 05:17

Z: Schönebeck ZS: SBK PZ: Wernigerode PZS: WR Prio: höchste Priorität IssueDate: 22.04.2010 22:00:00
Falsche Hoffnungen will sie nicht schüren. "Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht", sagte Kristina Schröder (CDU) bereits einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss für einen Runden Tisch "Missbrauch". Aber die Bundesfamilienministerin will die Prävention verbessern. Schutzräume für Täter "dürfen wir nicht länger zulassen", sagt sie mit Blick auf die jahrzehntelange Vertuschung von Missbrauchsfällen in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen. Am heutigen Freitag tagt die Runde zum ersten Mal.

Die Teilnehmer werden nicht bei Null anfangen. Gesetzgeberisch müsse nur wenig geschehen, sagt der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Das bestätigt auch die Geschäftsführerin der Opferorganisation "Wildwasser", Iris Hölling: "Die Konzepte sind längst da. Man muss sie nicht neu erfinden."

2003, nach dem Zweiten Weltkongress gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern in Yokohama, verabschiedete die damalige rot-grüne Bundesregierung einen Aktionsplan zum "Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt". Seine Ziele unterscheiden sich nicht von denen, die Schröder und ihre Kabinettskolleginnen, Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), nun mit dem Runden Tisch verbinden: besserer Opferschutz durch rechtliche Änderungen, mehr Prävention, Vernetzung der Hilfsangebote, internationale Zusammenarbeit.

Mit dem Aktionsplan wurde unter der damaligen Familienministerin Renate Schmidt (SPD) eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Sie existiert noch, hat aber seit einem Sachstandsbericht aus dem Jahr 2008 nichts mehr von sich hören lassen. Einige Aufträge aus dem Aktionsplan wurden abgearbeitet. In mehreren Veranstaltungen wurden rund 6000 Mitarbeiter von Jugendämtern, Jugendhilfeeinrichtungen und aus Kinderschutzzentren fortgebildet. Es entstanden Ratgeber, etwa zu "Sexualisierter Gewalt durch Professionelle in Institutionen". Das bundesweite Kinder- und Jugend- sowie Elterntelefon "Nummer gegen Kummer" erhält seit 1996 jährlich rund 250000 Euro vom Familienministerium.

Auch auf Gesetzesebene hat sich seit 2003 etwas getan. 2006 wurde das Verbot von Kinderpornografie erweitert und die Schutzaltersgrenze für Jugendliche erhöht. Ein Jahr später wurde eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung für Dreijährige eingeführt. Außerdem einigten sich Bund und Länder, dass Eltern zu den Vorsorgeuntersuchungen eingeladen werden sollten. Bleiben sie fern, schaltet sich das Jugendamt ein. Weitere Fälle von Kindesmisshandlung, die Schlagzeilen machten, führten 2008 dazu, dass Familiengerichten größere Eingriffsrechte zugestanden wurden.

Die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wollte zudem 2003 eine Anzeigenpflicht bei sexuellem Missbrauch einführen. Das stieß jedoch bei Experten und Ländern auf Ablehnung, so dass Zypries ihr Vorhaben fallen ließ. Allerdings setzte sie ein Gesetz für ein erweitertes Führungszeugnis durch, das in diesem Jahr am 1. Mai in Kraft tritt. Danach können Arbeitgeber von Bewerbern, die mit Kindern und Jugendlichen beruflich Kontakt haben, ein solches Führungszeugnis verlangen.(epd)