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Wie der Bildungskonvent und das Beispiel Havelberg Schule verändern könnten Wenn nicht gemeinsam lernen, dann gemeinsam Mittag essen

Von Philipp Hoffmann 28.04.2010, 05:17

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 27.04.2010 22:00:00


Geht doch, möchte man den Mitgliedern des Bildungskonvents für Sachsen-Anhalt zurufen. Und: Warum nicht gleich so? Als kaum noch jemand damit rechnete, haben sich die 37 Vertreter von Politik, Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Kirchen am Montag doch noch auf einen Kompromiss zum so heftig umstrittenen Thema der Schulstrukturen geeinigt. Und nicht einmal auf den schlechtesten.

Das eine A4-Seite umfassende Papier geht nämlich davon aus, dass in Sachsen-Anhalts Bildungslandschaft in Zukunft nicht mehr alles zentral von Magdeburg aus geregelt werden muss. Was zunächst lediglich ein Nebenprodukt des Strukturstreits zu sein scheint, kann weitreichende Bedeutung erlangen. Griffe nämlich eine künftige Landesregierung gleich welcher Couleur diese Empfehlung auf, könnten die Landkreise ganz anders auf sinkende Schülerzahlen reagieren als bisher. Statt aufgrund von Vorgaben des Landes Schulen schließen zu müssen, ließen sich regionale Sondermodelle aufbauen, die zu den jeweiligen Bedingungen passen.

Aus der Not entwickelt

Ganz oben im Nordosten des Landes, in der 7000-Einwohner-Stadt Havelberg, gibt es bereits ein solches Sondermodell. Es hat sich eigentlich aus der Not heraus entwickelt, ist aber geeignet, beispielhaften Charakter anzunehmen.

Alles begann damit, dass das Havelberger Pestalozzi-Gymnasium 2007 geschlossen werden sollte, weil die Schülerzahlen perspektivisch nicht mehr für die vorgeschriebene Zweizügigkeit (zwei Klassen pro Jahrgangsstufe) ausreichten. Das nächste Gymnasium in Tangermünde liegt aber mehr als 40 Kilometer entfernt. Die Havelberger protestierten, das Kultusministerium zeigte sich einsichtig. So wurde aus dem Pestalozzi-Gymnasium ein zweiter Standort des Tangermünder Diesterweg-Gymnasiums. In Havelberg werden seither weiterhin Gymnasiasten der Stufen 5 bis 12 unterrichtet, nur eben in einer Klasse pro Jahrgang statt in zweien.

Doch das ist nur der erste Teil des Havelberger Sondermodells. Der zweite geht auf eine andere Not zurück, nämlich die örtliche Sekundarschule zu sanieren. Mit dem 2008 gestarteten Schulbauprogramm des Landes bot sich eine Möglichkeit, an EU-Millionen zu kommen. Die Havelberger erarbeiteten ein besonderes pädagogisches Konzept – eine der Voraussetzungen für die Förderung – und hatten Erfolg. 2012 soll nun das "Schulzentrum Havelberg" eingeweiht werden, mit Sekundarschule und Gymnasialstandort unter einem Dach: dem des Gymnasiums, das ab diesem Sommer saniert wird.

Sekundarschüler und Gymnasiasten werden dann Aula, Schulhof und Speiseraum gemeinsam nutzen. Was darüber hinaus an Zusammenarbeit läuft, ist offen. "Wir sind gerüstet für alles, was kommt", sagt Sekundarschulleiterin Kerstin Meinschien, "egal, was für eine Landesregierung wir in zwei Jahren haben und was für Vorgaben die macht." Es gebe viele Möglichkeiten, etwas Gemeinsames aufzubauen, so die Schulleiterin. Vorstellbar seien etwa übergreifende Arbeitsgemeinschaften oder Förderangebote.

Geht es nach dem Bildungskonvent, können Kommunen künftig auch das längere gemeinsame Lernen aufgreifen, also Schüler später auf verschiedene Schulformen aufteilen als wie zurzeit nach vier Jahren. Das wird im Konventspapier "angesichts des Standes der Diskussion und der Handhabung" in anderen Bundesländern und Staaten als "angemessen" bezeichnet. Was für Schüler besser ist, hat die Arbeitsgruppe Schulstruktur des Konvents auch in 13 Sitzungen nicht klären können. Die Wissenschaft, so hielt man fest, liefere keine eindeutige Orientierung. Die Entscheidung pro oder kontra längeres gemeinsames Lernen bleibt also eine politische.

Gut für Freundschaften

Das geplante Havelberger Schulzentrum ist gewissermaßen eine Vorform des gemeinsamen Lernens. Nicht zu unterschätzen ist nämlich der Effekt, dass Schüler zwar nach der Grundschule getrennt werden, aber nur während des Unterrichts. Vor und nach der Schule, in den Pausen, beim Mittag essen sehen sie sich wieder. Das ist gut für bestehende Freundschaften. Und die Verwunderung darüber, warum derjenige, der vier Jahre lang neben einem saß und den gleichen Unterricht bekam, plötzlich auf eine andere Schule gehen soll, fällt vielleicht nicht ganz so ernüchternd aus.

Und noch etwas macht Havelberg beispielhaft. Dort gibt es künftig alle Schulabschlüsse unter einem Dach. Das können sonst nur Gesamtschulen bieten. Nur die haben sich, warum auch immer, nie durchgesetzt.