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Zu Gast in Deutschland: Kentaro Ikegami und Jessica True sind über die Rotarier nach Redekin und Genthin gekommen Schüler sind kleine Botschafter für ihre Heimat

Von Tobias Dachenhausen 09.10.2013, 03:10

Die US-Amerikanerin Jessica True (17) und der Japaner Kentaro Ikegami (15) sind seit Ende August in Deutschland. Sie leben bei zwei Familien in Redekin und Genthin. Bereits 35 Jugendliche in 19 Jahren wurden über den Rotary-Club Burg-Genthin im Jerichower Land untergebracht.

Redekin/Genthin l "Ich liebe Deutschland", sagen die beiden Austauschschüler unabhängig voneinander. Sowohl Jessica als auch Kentaro sieht man an, dass sie sich wohlfühlen. "Ich vermisse mein zu Hause nicht. Ich melde mich alle zwei Wochen, nur weil meine Eltern das so wollen", sagt Jessica im gebrochenen Deutsch. Seit dem 27. August hat für die 17-Jährige das Abenteuer Deutschland begonnen. Momentan lebt sie in Genthin bei Familie Werner. "Ich wollte nach Europa und ein entfernter Teil meiner Familie stammt aus Deutschland, darum war es eine einfache Wahl", begründet sie ihre Entscheidung. Wie Kentaro besucht sie die zehnte Klasse des Genthiner Gymnasiums. In ihrer Freizeit nimmt sie Gesangsunterricht in Magdeburg. "Ich möchte später Opernsängerin werden", sagt sie mit freudestrahlenden Augen.

Auch für Kentaro ist Deutschland eine Art Abenteuer. Allerdings hatte er bei der Auswahl des Ziellandes auch keine andere Wahl. "Bei uns wird gesagt, wo wir hinkommen, aber da ich eh nach Europa wollte, war das kein Problem", erzählt der aus Tokio stammende junge Mann. Nach vier Tagen in Deutschland musste er bereits allein mit dem Zug fahren. "Es war nicht einfach, aber eine neue Erfahrung für mich - alles ist neu gerade", sagt der 15-Jährigen mit einem Schmunzeln.

Seine Gastfamilie Riemer aus Redekin bezeichnet den Japaner als "ruhigen Vertreter, der das Zusammenleben sehr einfach macht", sagt Gastvater Michael. Für die Familie ist es bereits der zweite Gastschüler. Der eigene Sohn hat über den Rotary-Club bereits ein Jahr in Brasilien verbracht. "Eltern, die Kinder in die weite Welt schicken, müssen sich auch bereiterklären, Kinder aus anderen Nationen aufzunehmen", erklärt Stefan Karnop, verantwortlich für den Jugendaustausch beim Rotary-Club Burg-Genthin.

"Jessica füllt die Lücke sehr gut aus."

Das beste Beispiel zeigt gerade die Familie Werner aus Genthin. Ihre Tochter ist zurzeit für ein Jahr in Venezuela. "Sie schränkt den Kontakt sehr ein, ist sehr eigenständig und wenn mal vier Zeilen von ihr kommen, ist das viel", sagt Mutter Uta. Da kam die US-Amerikanerin gerade recht. "Die Lücke, die entstanden ist, füllt Jessica sehr gut aus", sagt ihre jetzige Gastmutter mit einem Lächeln im Gesicht.

Stefan Karnop weiß, dass Mütter natürlich viel lieber mehr von ihren Kindern hören wollen, doch das widerspricht dem Jugendaustausch des Rotary-Clubs. "Die ständige Kommunikation mit dem Zuhause belastet den Austausch. Die Kinder sollen sich in dem jeweiligen Land integrieren", betont der Jugendaustausch-Beauftragte. Man müsse sich im Klaren sein, dass man die Kinder nie wieder als Kinder zurückbekommt, wenn man ihnen so einen Austausch ermögliche. "Die Kinder entwickeln sich dort ungemein schnell. Wenn sie wiederkommen, sind sie Erwachsene und man unterhält sich plötzlich auf Augenhöhe mit ihnen", so Karnop.

Das kann Peter Riemer nur bestätigen. Der heute 18-Jährige ist im Juli 2011 nach Brasilien aufgebrochen. "Ich wollte etwas Besonderes machen. In die USA gehen so viele, da wollte ich nicht hin", begründet Peter seine damalige Entscheidung. Er konnte weder Portugiesisch noch wusste er, auf was er sich da einlassen würde. Im ersten Monat konnte er sich noch mit Englisch über Wasser halten, doch seine Sprachkenntnisse nahmen immer mehr zu. "Nach einem dreiviertel Jahr habe ich alles verstanden und konnte alles allein machen. Das war schon eine sehr schöne Erfahrung", so der 18-Jährige. Insgesamt sei das Leben in der Nähe von Sao Paulo ein ganz anderes gewesen. "Als ich ankam, gab es gleich eine Umarmung hier, ein Küsschen da - viele Dinge kannte man so von Zuhause nicht", blickt Peter zurück. Es war ein Abenteuer, das er nicht bereut hat. "Es war eine Herausforderung, sich in einem fremden Land alleine zurechtzufinden und man hat gleichzeitig eine neue Sprache gelernt. Geschadet hat der Aufenthalt keineswegs", so der 18-Jährige.

"Nach der Rückkehr sind die Kinder erwachsen."

Im Rotary-Club Burg-Genthin kommt dem Jugendaustausch seit den 19 Jahren des Bestehens eine hohe Bedeutung zu. Insgesamt 35 Jugendliche aus dem Jerichower Land haben bislang an diesem Austausch teilgenommen. Die Schüler waren unter anderem in den USA, in Kanada, Australien, Frankreich, Schweden, Argentinien oder Mexiko. "Bei uns haben die Interessenten drei Wünsche für einen Aufenthalt frei. Das hängt immer vom Angebot ab, es gibt also keine Garantie", betont Karnop. Im Gegenzug wurden ebenfalls 35 Jugendliche unter anderem aus Russland, Brasilien und Ecuador im Kreis aufgenommen.

Dabei betont der Jugendaustausch-Beauftragte, dass dieser Austausch kein Reiseprogramm sei. "Das Angebot ist ein Beitrag der Rotarys zur Völkerverständigung. Es geht darum, eine Fremdsprache zu erlernen, andere Kulturen, Lebensbedingungen und Wertvorstellungen kennenzulernen", betont Karnop. Dabei lernen die Gastschüler in ihrer Zeit in Deutschland drei verschiedene Familien kennen", um "einen bunten Eindruck zu bekommen. Denn die typische deutsche Familie gibt es nicht", sagt Karnop. Dabei dürfen sich die Jugendlichen nur im sogenannten District aufhalten, der sich hier über Sachsen-Anhalt und große Teile Niedersachsens erstreckt. "Das Oktoberfest in München auf eigene Faust zu besuchen, ist nicht erlaubt. Wenn die Gast-eltern einen mitnehmen, ist das natürlich in Ordnung", sagt Karnop.

Für Jessica und Kentaro hat das Abenteuer erst begonnen. Ihr Deutsch wird immer besser. Und vor allem kommt nie Langeweile auf. Regelmäßig treffen sie sich mit anderen Austauschschülern bei bestimmten Reisen. In weniger als zwei Wochen sind Schulferien, wo Jessica mit ihren Gasteltern nach Bayern fährt. Auch für die Amerikanerin und dem Japaner wird sich der Aufenthalt lohnen, so dass sie später ohne Bedauern zurückblicken und Deutschland weiterhin lieben werden.