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Bildungszentrum Untreue-Vorwürfe in Schulküche

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue-Vorwürfen im
Küchenbereich des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte (LBZ) in
Halberstadt. Eine Mitarbeiterin soll an der Essenausgabe Geld
unterschlagen haben. Während die Frau weiter dort beschäftigt ist, wurde
einer Kollegin, die die Sache aufdeckte, gekündigt.

Von Dennis Lotzmann 26.06.2014, 03:16

Halberstadt l Nadine Splittgerber hat es Schwarz auf Weiß: Ihr Arbeitsverhältnis mit der Firma "Leib und Seele, Dienst am Gast, GmbH", einem Speiseanbieter aus Halle, ist zum 15. April beendet worden. Innerhalb der Probezeit und damit ohne konkrete Begründungen. Der von Geschäftsführer Norbert Brandt unterzeichnete Brief markiert den vorläufigen Höhepunkt in einer Geschichte, die viele Fragen aufwirft.

Dreh- und Angelpunkt sind dabei Untreue-Vorwürfe gegen die Betriebsleiterin im Küchenbereich der Schule, Angela Z. Die, so der Vorwurf, soll es bei der Essenausgabe und der Abrechnung der Bareinnahmen nicht so genau genommen haben. Ein Verdacht, dem die Staatsanwaltschaft in Halberstadt nachgeht, wie Behördenchef Hauke Roggenbuck bestätigt.

Frau räumt Veruntreuung ein und bestreitet sie

Die beschuldigte Mitarbeiterin weißt die Vorwürfe zurück: "Das war eine interne Sache, der Fall ist erledigt." Sie habe nichts unterschlagen. Tatsächlich? Der Volksstimme liegt ein Schreiben ihres früheren Arbeitsgebers vor. Darin hat ihr Vorgesetzter niedergeschrieben, dass Angela Z. im Beisein mehrerer Zeugen die Veruntreuung zugegeben habe. Das Schreiben trägt nicht nur die Unterschriften der Zeugen, sondern ist auch von Z. unterzeichnet. Ein Fehler, wie sie heute erklärt: "Es war ein Fehler von mir, das einzuräumen. Ich wollte meine Ruhe haben."

Um die Vorgänge im Zusammenhang zu sehen, ist ein Rückblick nötig: Im April 2013 wird Nadine Splittgerber als Küchenhilfe vom Catering-Dienstleister des LBZ eingestellt. Damals betreibt die Düsseldorfer Firma Klüh Catering GmbH den Küchenbereich. Konkret verantwortlich sind die Chefs in der Zweigniederlassung Halle/Leipzig. Weil das Land für das LBZ stets nur befristete Verträge mit den Dienstleistern abschließt und der Vertrag mit Klüh-Catering zum 31. Oktober 2013 ausläuft, wird Nadine Splittgerber nur befristet angestellt.

Im Herbst 2013 erfährt Splittgerber von einer Aushilfe, dass es Betriebsleiterin Z. wohl nicht so genau nehmen soll mit der Essengeldabrechnung. Splittgerber spricht daraufhin Klüh-Regionalleiter Pillert an und informiert darüber hinaus am 23. Oktober mit einer E-Mail Niederlassungschef Klaus Hupfeld von den Vorwürfen.

Pillert reagiert. Er prüft vor Ort. Die Recherchen münden in ein Gespräch mit drei Küchenmitarbeiterinnen, der beschuldigten Chefin und Regionalleiter Pillert.

Von diesem Gespräch existiert jenes an Angela Z. adressierte Schreiben mit der Überschrift "Veruntreuung von Bargeld". Darin heißt es: "Sie gaben im Beisein" mehrerer Zeugen (die Namen sind der Redaktion bekannt) "und mir zu, dass Sie seit längerer Zeit Bareinnahmen (Gelder von Lehrern und Küchenkräften) veruntreuten". Auch das Vorgehen wird beschrieben: Z. gab Essen aus und kassierte dafür in bar. Sie registrierte aber nicht alle ausgegebenen Portionen in der Strichliste, die später Basis für die Abrechnungen waren.

Die Folgen dieses Handelns waren auch Regionalchef Pillert klar: Das sei Diebstahl gegenüber dem Land und der Klüh Catering GmbH, formulierte er. "Es entstand ein Schaden, den ich nicht beziffern kann." Das Schreiben wurde nicht nur von Regionalleiter Pillert unterzeichnet, sondern auch von drei Küchenmitarbeiterinnen - darunter Nadine Splittgerber - und der geständigen Angela Z.

Obwohl der Sachverhalt damit klar scheint und auch die Geschädigten benannt sind, verblüfft Pillerts Reaktion. Er informierte weder das geschädigte Land noch griff er zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen oder schaltete Polizei und Staatsanwaltschaft ein. Er beließ es dabei, Angela Z. Überstunden zu streichen.

Das Schreiben ist auf den 31. Oktober datiert, tags drauf übernahm die Firma Leib und Seele als neuer Catering-Anbieter die Verantwortung in der LZB-Küche. Alle vier Frauen wurden nach Volksstimme-Informationen vom neuen Anbieter übernommen. Nadine Splittgerber, die zuvor nur befristet eingestellt worden war, bekam einen Drei-Monats-Vertrag, der ab Februar 2014 unbefristet lief -mit dreimonatiger Probezeit.

Rahmenbedingungen, die wohl nicht unbedingt förderlich sind für das Miteinander im Küchenbereich. Zumindest empfindet es die 34-jährige Splittgerber als wenig erbaulich, nach all den Vorfällen mit ihrer Chefin weiterzuarbeiten. Als es schließlich darum geht, von Angela Z. erstellte Inventurlisten gegenzuzeichnen, gehen die drei Frauen in die Offensive. Sie beschweren sich schriftlich bei der Leib-und-Seele-Chefetage in Halle.

Ob der Brief tatsächlich von allen drei Frauen unterzeichnet ist, bleibt offen. Fakt aber ist: Leib-und-Seele-Geschäftsführer Norbert Brandt schaltet sich ein, es gibt Mitarbeitergespräche und schließlich ein überraschendes Finale: Nadine Splittgerber - jene Frau, die maßgeblich an der Aufdeckung der Vorgänge beteiligt war - wird gefeuert.

Norbert Brandt zeigt sich heute verwundert. Von jenem Scheiben Ende Oktober wisse er gar nichts. "Die Chefs wollten es nicht haben, ich hatte es ihnen angeboten", entgegnet Nadine Splittgerber. Bei internen Kontrollen vor Ort, so Brandt, sei nichts zu beanstanden gewesen. Dies gelte auch bezüglich weiterer Vorwürfe, wonach Kühlketten unterbrochen oder Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum verwendet worden sein sollen.

Splittgerbers Kündigung begründet Brandt so: "Wir waren in der Probezeit, sie hat nicht ins Team gepasst."

Erinnerungslücken bei den Vorgesetzten

Auch die Chefs von Klüh-Catering können sich nicht mehr erinnern. Regionalleiter Pillert - jener Mann, der im Oktober das klärende Gespräch mit den Frauen führte und besagtes Schreiben aufsetzte - kann sich an all das partout nicht mehr erinnern. Niederlassungschef Hupfeld tendiert dazu, das Ganze intern zu behandeln. Wir haben das doch geklärt, warum das alles in die Öffentlichkeit zerren, so sein Tenor.

Es ist schließlich Nadine Splittgerber, die sich an den Landes-Behindertenbeauftragten wendet. Von dort gehen die Unterlagen ans Kultusministerium, dessen Mitarbeiter schalten die Staatsanwaltschaft ein.

Nadine Splittgerber selbst betont, dass sie niemandem Schaden zufügen oder Personen öffentlich diskreditieren wolle. "Ich kann aber nicht verstehen, dass Leute, die eine Veruntreuung begangen und zugegeben haben, weiter an dieser Stelle tätig sind", sagt die 34-Jährige.

Schulleiter Martin Eggert, kennt die Vorgänge nur vom Hörensagen. "Als Schule haben wir mit der Küche nichts zu tun. Dort arbeiten Dienstleister, die vom Land gebunden werden." Man wisse aber von den Ermittlungen und unterstütze sie.

Angela Z. hat Nadine Splittgerber mittlerweile wegen Verleumdung angezeigt. Nadine Splittgerber hat den Fall einem Anwalt übergeben.