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  7. Soll Ströbeck frei bleiben von industrieller Massentierhaltung?

Offenkundiges Umdenken im Ortsteil / Räte entscheiden in Sondersitzung über Grundsatzfrage / Konsequenzen des Votums sind noch offen Soll Ströbeck frei bleiben von industrieller Massentierhaltung?

Von Dennis Lotzmann 11.05.2012, 05:15

Halberstadt/Schachdorf Ströbeck l Die Mitglieder des Ortschaftsrates Ströbeck werden am Montag, dem 14. Mai, zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Einziges Thema des Abends ist nach den Worten von Ortsbürgermeister Jens Müller (SPD) eine Grundsatzentscheidung der gewählten Volksvertreter zur Frage der industriellen Tierhaltung. Und dabei, so sagt Müller, scheint nunmehr ein klares Nein seitens der Räte sehr wahrscheinlich.

Eine Tendenz, die sich spätestens seit dem von Stadtverwaltung und Volksstimme organisierten Forum rund um die im Industriegebiet geplante Putenmastanlage abzeichne, wie Müller meint. Mit dem Forum, dessen neutrale Gesprächsführung, die paritätische Besetzung und die sachliche Diskussion Jens Müller gestern ausdrücklich positiv einordnete, habe auch bei ihm zum Umdenken geführt. "Wir wollten als Ortschaftsräte jenes Forum nutzen, um Klarheit in unsere Köpfe zu bekommen", sagt Müller und erinnert daran, dass er und die Räte in Sachen Tiermast allesamt fachliche Laien seien. Um sich mehr Informationen zu verschaffen, sei tags zuvor auch eine Putenmastanlage in Bühne besichtigt worden.

Das Resultat - und wenn man so will auch eine erste Tendenz - findet sich nun in der Beschlussvorlage für die Sondersitzung wieder. Dort heißt es: "Der Ortschaftsrat Schachdorf Ströbeck beschließt, dass in der Gemarkung Ströbeck die industrielle Massentierhaltung nicht zugelassen wird."

Begründet wird diese Ablehnung mit einem grundsätzlichen Problem, das sich aus der industriellen Massentierhaltung ergibt: Die Gefahr des Auftretens sogenannter multiresistenter Keime. Das sind Keime, die selbst mit dem Einsatz von Antibiotika nicht mehr zu bekämpfen sind. Experten führen das Auftreten dieser Keime unter anderem auf den massiven Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung zurück.

"Sowohl die vom Investor organisierte Besichtigung der Mastanlage in Bühne als auch das Forum führten letztendlich zur Erkenntnis, dass die Gefahr der Infektion von Einwohnern und Gästen durch multiresistente Keime nicht ausgeschlossen werden kann", bringt Jens Müller die Befürchtungen auf den Punkt. Da die geplante Mastanlage stellvertretend für die industrielle Massentierhaltung stehe, werde dieses Risiko vom Ortschaftsrat unabhängig von Art und Rasse der Tiere gesehen, präzisiert Müller nach weiterführenden Diskussionen mit den Volksvertretern. "Aus diesem Grund spricht sich der Ortschaftsrat grundsätzlich für jetzt und in Zukunft gegen jegliche Form der industriellen Massentierhaltung in der Gemarkung Ströbeck aus", heißt es in der Begründung. Letztlich sei dies ein Votum "im Interesse der Bevölkerung zum Schutz vor unabwägbaren gesundheitlichen Risiken".

Vorausgesetzt, der Beschluss kommt am Montag zustande, würde das ein grundsätzliches Nein zu Ansiedlungen dieser Art auf kommunalen Ströbecker Grundstücken bedeuten. "Projekte auf privatem Grund würden, soweit es dem Ortschaftsrat möglich ist, kritisch begleitet werden", skizziert Jens Müller die Konsequenzen. "Ich selbst werde diesem neuen Beschluss zustimmen", kündigt er an.

Welche Konsequenzen eine solche Kurskorrektur im Ortschaftsrat insgesamt hätte, blieb gestern unklar. Aus Müllers Sicht müsste der Bebauungsplan für das Ströbecker Industriegebiet anschließend entsprechend geändert werden. An den Verkaufsoptionen gegenüber dem Investor der Putenmastanlage, über die der Stadtrat noch nicht entschieden hat, seien indes keine Korrekturen nötig: "Der Käufer müsste natürlich die neuen grundsätzlichen Rahmenbedingungen im Industriegebiet und in Ströbeck einhalten", so Müller.

Es bleibt die Frage, wie die Stadträte in Halberstadt das sehen. Schließlich haben alle Entscheidungen des Ortschaftsrates Ströbeck nur beratenden Charakter.