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Tickende Zeitbomben auf der Autobahn

Von Susann Gebbert 22.07.2015, 17:33

Im Rahmen einer europaweiten Verkehrskontrollwoche hat die Polizei auf der Autobahn 2 gestern 69 Busse und Lastwagen überprüft.

Landkreis Börde l Es hatte was von dem Spiel "Schiffe versenken", als die Lotsen der Polizei gestern Lastwagen und Busse aus dem Verkehr der Autobahn 2 gezogen haben. Es ging darum, die "schwarzen Schafe" und die "tickenden Zeitbomben" unter den Fahrzeugen heraus zu filtern. Gemeint waren die Vehikel, die technische Defekte aufwiesen, bei denen die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert war oder deren Fahrer beispielsweise die Pausenzeiten nicht einhielten. Dabei verließen sich die Beamten laut Johannes Stoye auf ihren "geschulten Blick" und das nötige "Bauchgefühl". Stoye ist Sprecher der Autobahnpolizei Börde.

Die Beamten überprüften 14 Busse, von denen zwei beanstandet wurden, da die Fahrer Pausenzeiten nicht einhielten. Bei den 55 kontrollieren Lkw stellte die Polizei 22 Vergehen fest. In acht Fällen lag das am Fahrer selbst. Die restlichen Beanstandungen waren mit technischen Defekten oder Mängeln hinsichtlich der Ladung begründet.

Etwa 30 Einsatzkräfte versammelten sich gestern von 8 bis 13 Uhr vor dem Polizeirevier an der A 2 in der Nähe des Rastplatzes Börde. Neben der Polizei waren auch Mitarbeiter des Zolls, der Zentralen Bußgeldstelle, der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen und ein Rauschgifthund im Einsatz. Außerdem hatten sich Staatssekretär Ulf Gundlach und der Präsident der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, Andreas Schomaker, für eine Stippvisite angekündigt. "Deutschland ist ein Transitland, daher ist es wichtig, die Sicherheit auf den Straßen zu gewährleisten", sagte Gundlach. Er versuche bei besonderen Kontrollen dabei zu sein, da er die Arbeit seiner Kollegen für sehr wichtig in Bezug auf die Sicherheit auf den Straßen erachte.

Spezialwissen, Dolmetscher und Bauchgefühl

Die Kontrolle kam für die Lkw- und Bus-Fahrer überraschend. Die Lotsen der Polizei mischten sich in Streifen- und Zivilwagen in den Verkehr und forderten verdächtige Fahrzeuge auf, ihnen zum Revier der Autobahnpolizei zu folgen. "Grundsätzlich haben wir eine Beanstandungsquote von etwa 40 Prozent", sagte Carsten Töpfer, Leiter des Revier-Einsatzdienstes. Dabei seien die Verstöße "querbeet". Um die Lastwagen und Busse hinsichtlich der Ladungen, der Fahrzeugmaße, des technischen Zustands und der Fahrer zu überprüfen, werde umfangreiches Spezialwissen benötigt. Daher haben sich an diesem Tag viele Behörden zusammen geschlossen. Auch Dolmetscher seien dabei, um etwaige Sprachbarrieren zwischen Fahrern und Beamten zu überwinden.

Töpfer und seine Kollegen mussten beispielsweise einem tschechischen Lkw die Kennzeichen abmontieren und dem Fahrer die Zulassung abnehmen. Die Beamten haben festgestellt, dass sowohl die Federung als auch die Bremsanlage nicht mehr verkehrstüchtig waren. "Wenn dieser Lkw auf ein Stauende stößt, ist er unter Umständen nicht mehr in der Lage, rechtzeitig zum Stehen zu kommen", so Töpfer. Er sei damit eine tickende Zeitbombe. Bei einem anderen Lastwagen war die Bremsscheibe gerissen, zwei weitere hatten zusammengebaute Gasbrenner mit an Bord, aus denen Gas ausströmen könnte. Die Fahrer benutzen sie, um ihr Essen zu erwärmen.

Ist ein Fahrzeug in so schlechtem Zustand, dass der Fahrer nicht mehr bis zur nächsten Werkstatt fahren kann, muss es vor Ort repariert werden. Erst wenn die Polizei den technischen Zustand abgesegnet hat, darf der Fahrer weiter fahren. Bei der Kontrolle gestern mussten sieben Lkw stehen bleiben. Das Bußgeld muss der Fahrer zahlen, da er für sein Fahrzeug verantwortlich ist. Die Firma, der das Fahrzeug gehört, muss allenfalls mit einer Anzeige rechnen. Wegen des hohen Konkurrenzdrucks setzten sich die Fahrer teilweise auch ans Steuer ihres Lkw, obwohl sie wüssten, dass sein Zustand nicht einwandfrei ist, so die Erfahrungen der Polizei. Es sei auch schon vorgekommen, dass sich Fahrer aus Verzweiflung selbst angezeigt hätten, da sie es nicht verantworten wollten, mit dem Lkw zu fahren.

Der Großteil der technischen Mängel auf der A 2 wird in der Regel bei Lkw aus Osteuropa festgestellt. Das sähe laut Töpfer im Harz oder in der Altmark aber ganz anders aus. Dort seien mehr Forst- und Landwirtschaftsfahrzeuge unterwegs, wodurch es zu mehr Verstößen bei einheimischen Verkehrsteilnehmern kommt. Grundsätzlich hänge der technische Zustand des Fahrzeugs von der finanziellen Situation der Unternehmen ab. Danach entscheide sich, wann und wie viel Geld in die Wartung investiert würde.

Etwa 20000 Lastwagen passieren jede Woche die A 2, ganze 7 Millionen jährlich. Im Juni dieses Jahres starben in Sachsen-Anhalt neun Menschen bei Unfällen, an denen Lkw beteiligt waren. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. In der Regel ist Unaufmerksamkeit eine der Hauptursachen. Bei der Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten wertet die Polizei die Pausen der letzten 28 Tage aus. Diese erfasst ein digitales Gerät in der Fahrerkabine. Spätestens nach viereinhalb Stunden müssen Fahrer eine Pause von mindestens 45 Minuten einlegen.

Viele Fahrer hätten auf die Überprüfung geduldig und verständnisvoll reagiert, so Johannes Stoye. "Kontrollen sind schon okay, aber man könnte sie auch anders machen", sagte ein Busfahrer. Seiner Meinung nach sollten die Beamten die Betriebe morgens aufsuchen, damit er und seine Fahrgäste nicht bei der Hitze das Prozedere über sich ergehen lassen müssten.

Die groß angelegte Überprüfung der Busse und Lkw auf der A 2 im Rahmen eines landesweiten Kontrolltags ist Teil der europaweiten Kontrollwoche zur Sicherheit auf den Straßen. Dabei handelt es sich bereits um die zweite Kontrollwoche in diesem Jahr. Laut den Beamten geht es darum, die Leute für die Gefahren, die auf der Straße lauern, zu sensibilisieren und so eine große öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Im Herbst ist eine weitere Kontrollwoche geplant. Kleinere Kontrollen führt die Autobahnpolizei auf der A 2 alle zwei bis drei Wochen durch.