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  7. In Schönfeld werden die ersten Sandsäcke geleert und getrocknet

Halle der Agrargenossenschaft wird zum Lagezentrum / Elbwasser drückt durch Abwasserschächte ins Dorf - Pumpen sind im Dauereinsatz In Schönfeld werden die ersten Sandsäcke geleert und getrocknet

Von Ingo Freihorst 20.06.2013, 03:10

Schönfeld l Hinter Schönfeld ist die Straßen-Welt zu Ende. Etwa einen halben Meter hoch strömt das Elbwasser aus Fischbeck über die Bundesstraße, dem alten Flussbett folgend gen Kamern. Ein Motorradfahrer aus England fragt die Polizisten nach dem Weg, auch ein Kleinbusfahrer weiß nicht weiter, will auf die andere Elbseite.

Die Bundespolizei aus Hessen ist mit einem gepanzerten Mehrzweckfahrzeug vor Ort, der Sonderwagen SW4 ist eigentlich für Demonstrationen vorgesehen. Doch mit seiner Wattiefe von 1,20 Metern kann er auch mal rasch in Richtung Scharlibbe fahren. Das gelingt auch den Feuerwehrfahrzeugen aus Neuermark-Lübars und Scharlibbe, die zum Einkaufen nach Havelberg pendeln.

Seit Dienstag werden in Schönfeld die nicht mehr benötigten Sandsäcke an den Häusern zurückgebaut, geleert und überall getrocknet: An Zäunen, auf dem Sportplatz, auf Höfen. Doch zigtausende Säcke erfüllen noch immer ihre Funktion, leiten das Flutwasser im Land- und Weidegraben in geordneten Bahnen bis hoch zum alten Bahndamm am Dorf vorbei. "Beim Deichbau half uns die Feuerwehr aus Bonn", berichtet Ortswehrleiter Tobias Mahnitz.

Die Kölner Wehr ließ drei ihrer Motorpumpen im Ort, denn noch immer sind die Abwasserschächte ein Problem - durch sie dringt Wasser in den Ort, dieses flutete zeitweise sogar die Dorfstraße. Ohne die Pumpe aus Wulkau wären im Ort um die 50 Häuser abgesoffen, sie und dazu die örtliche pumpten zweieinhalb Tage ohne Unterlass. Ersatz-Saugkörbe lagen bereit, waren die benutzten verstopft, musste innerhalb von zwei Minuten gewechselt werden. "Im Krisenstab hatte ich um eine Pumpe gebeten, der machte mir aber keine Hoffnung", berichtet Norbert Zander.

Zwei Wohnhäuser sind von den Fluten arg betroffen, unter anderem die einstige Gaststätte, viele Keller der Häuser am Graben sind geflutet. Diese Häuserzeile ist bislang auch ohne Strom, weshalb etliche Kabel als Notbehelf über die Straße verlegt wurden. Schüsseln schützen die Kabeltrommeln vor Regen.

THW-Helfer erlebten hier eine Fünf-Sterne-Umsorgung

Dienstag kam die Polizei und sollte die Evakuierung bekanntgeben, doch die Beamten stiegen aus und halfen über vier Stunden eifrig beim Deichbau. Trotz der Evakuierung harrten 85 Schönfelder aus, denn auch die so wichtigen Deichwachen mussten weiter laufen. Das wurde selbst organisiert, nachdem die Verwaltung im gefluteten Schönhausen ihre Arbeit eingestellt und die Wachen abgezogen hatte.

Der Deichbau wurde ebenfalls in Eigenregie vollzogen, die Sandsacktransporter an der Wulkauer Kreuzung nach Schönfeld umgeleitet. Mit dem Deich wurden auch Wulkau und Sandau vor den Wassermassen verschont, ist sich Norbert Zander sicher.

Donnerstag um 4 Uhr früh langte das Wasser aus Fischbeck in Schönfeld an, bis in den frühen Freitagmorgen wurde der Deich verteidigt. Die Frauen kämpfen an der Versorgungsfront, arbeiteten über Tage in der Agrargenossenschaft im Akkord: Schnitten und Brötchen belegen, Kuchen backen, Essen mit Notstrom kochen. Rundumverpflegung für alle.

Samstag rückte das THW aus Duisburg an, verstärkte mit Hilfe der Einheimischen den Deich, bewachte ihn und half beim Abpumpen. Auslaufendes Heizöl war am Ortseingang am Gasthaus abzusaugen, wobei die Wehr aus Havelberg mit ihrer Ölsperre half. "Wir blieben gerne hier, denn wir lebten hier wie mit fünf Sternen", lobte THW-Gruppenführer Cengiz Yurtsevener die tolle Verpflegung durch die Schönfelder. Versorgt wurden alle zudem über die Johanniter und das DRK, die Frauen schmierten und belegten die gelieferten Stullen für die Helfer.

Gespeist wurde in der Halle der Agrargenossenschaft, Geschäftsführer Fred-Wilhelm Braunschweig hielt alle Fäden im Dorf in der Hand. Gestern bedankte er sich bei den 14 abrückenden THW-Helfern: "Ohne euch hätten wir den Deich nicht halten können". Gern könnten die Helfer wiederkommen, wenn alles trocken sei. Zehn THW-Helfer aus Duisburg rückten nach, sie werden beim Auspumpen helfen.

Für Stendaler Krisenstab war Schönfeld schon eine Insel

Norbert Zander hatte beim Krisenstab in Stendal einen Container für den Müll geordert. Dort überlegte man fieberhaft, wie dieser nach Schönfeld gelangen könne, es sei doch abgeschnitten. "Die wussten scheinbar nicht, dass DRK und Johanniter uns schon immer über die B107 versorgten", ärgerte sich der Schönfelder.