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"Hüben und Drüben": Danuta Ahrends und Anna Radtke erinnerten sich bei einer Lesung zurück Von russischen Märchen und Geburten ohne Musik

Von Astrid Mathis 26.03.2015, 02:29

Wittenberge/Osterburg l Mit dem Programm "Hüben und Drüben" feierten Danuta Ahrends und Anna Radtke vor wenigen Tagen in der Galerie "Im Bilde" in Wittenberge eine Premiere.

Die beiden Autorinnen gestalteten erstmals eine Lesung gemeinsam. Seit sechs Jahren ist Anna Radtke Mitarbeiterin der Stadt- und Kreisbibliothek Osterburg. Danuta Ahrends arbeitete zu diesem Zeitpunkt schon ein Jahr dort, ist gebürtige Osterburgerin. Anna Radtke stammt aus Berlin, West-Berlin, betont sie. Seit 1999 ist Räbel ihre neue Heimat. "Weil ich auf dem Land leben wollte und so naturverbunden bin", fügt sie lächelnd hinzu.

Ihr Mann Rainer Trunk hatte den Anstoß für die Lesung in der Galerie gegeben, dessen Inhaber er ist. Dass sich das Mauerfall-Jubiläum zum 25. Mal jährte, kam ihnen gerade recht. Das Thema war damit gefunden: "Hüben und Drüben". "Ab und zu kamen wir zwar während der Arbeit mal darüber ins Gespräch, aber so richtig intensiv haben wir uns jetzt damit beschäftigt", erzählt Danuta Ahrends. Der älteste Text für die Lesung war aus ihrer Feder im November vergangenen Jahres entstanden. In "Herbst 89", den sie in der Kirchen- und Museumsnacht am 8. November vorstellte, erinnert sie sich an die erste Fahrt nach Lüchow - nach der Wende natürlich - und das Begrüßungsgeld.

Vier weitere Texte hat sie "ganz frisch extra für diesen Abend" geschrieben. Zum Beispiel, wie sie es zu DDR-Zeiten liebte, die Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" zu gucken, "weil das alles so weit weg war." Heute reichen die Nerven nur noch für den "Tatort" am Sonntag, sagt sie schmunzelnd. Sie erinnert sich aber auch daran, wie sauber und heil ihr die Fußwege vorkamen, als sie das erste Mal in den Westen fuhr: "wie gemalt."

Nach Ost-Berlin durch einen Container

Anna Radtke aus West-Berlin, Hansaplatz besser gesagt, hat ihre Erfahrungen ebenfalls zu Papier gebracht. Als die heute 52-Jährige sechs Lenze zählte und mit ihrer Mutter 1968 zur Großmutter nach Dresden wollte, mussten sie am Bahnhof Friedrichstraße durch die Grenzkontrollen. Genauer gesagt: "Wir wurden durch einen Container durchgeleitet. das habe ich nie vergessen, dieses mulmige Gefühl." Noch lange später suchte sie immer wieder schreckhaft nach ihrem Ausweis. Sorglos hingegen waren die Zeiten mit den Indianerspielen oder als sie mit ihrer Freundin (noch nicht jugendlich, eher als älteres Kind, sagt sie) durch den Tiergarten stromerte. Der Park war riesig, die Freifläche ein Paradies. Sie haben Passanten geärgert und "sind auf das Gartengelände des Bundespräsidenten geklettert und wurden nicht erwischt."

In einem weiteren Text schreibt Anna Radtke über Diskussionen, die sie mit ihrem Cousin aus Dresden über Kapitalismus und Sozialismus führte. Sie sah den Westen immer ein bisschen anders, sagt: "Da gibt`s auch noch mehr als Bananen und Reisefreiheit." Und runzelt dabei die Stirn. Danuta Ahrends schwärmt wiederum von der Kinozeit in der DDR, "die genauso ehemalig ist wie das ganze Land". Sie wuchs mit den russischen Märchen auf, die sie Sonntagnachmittag für 30 Pfennig in den Osterburger "Lichtspielen" sah. "Das war noch ohne Ossi-Wesssi-Gesülze." Klar war "Dirty Dancing" der Knaller. Da musste die heute 49-Jährige ganz schön rudern, um einen Babysitter für ihren Sohn zu finden, um noch mal den Tanzfilm schlechthin zu sehen.

Thomas Stein übernahm musikalischen Part

Apropos Geburt. "Wir haben unsere Geburten verglichen", erzählt Danuta Ahrends, literarisch, versteht sich. Rein faktisch sah das so aus. Anna Radtke ging mit ihrem Mann ins Geburtshaus und nach vier Stunden gingen sie mit der Tochter wieder raus. Bei der Osterburgerin verlief die Geburt ganz klassisch im Kreißsaal, die werdenden Mütter durch eine spanische Wand voneinander getrennt, ohne Musik, aber mit lautem Ticken der Uhr zu jeder vollen Minute, betont sie. Ohne Ehemann - der befand sich gerade im Westen. Mit achttägiger Erholungsphase mit Milchsuppe. "Das fand ich überhaupt nicht schlimm". gibt Danuta Ahrends zu. Ihr musikalisches Pendant war an dem Abend übrigens der Liedermacher Thomas Stein, der sich ebenfalls in Texten mit früher auseinandergesetzt hat.