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Lebenshilfe Förderstedt "Bei Ronny bin ich wirklich baff"

Ronny Weiß ist einer der wenigen psychisch beeinträchtigten Menschen, die den Sprung aus der Lebenshilfe-Werkstatt in ein privatwirtschaftliches Unternehmen geschafft haben. Mit seiner Genauigkeit und Zuverlässigkeit hat er seinen neuen Chef von sich begeistert.

Von Franziska Richter 12.09.2014, 03:15

Förderstedt l "Bei Ronny bin ich wirklich baff", sagt Hans-Jürgen Streuer, Inhaber des "Pansen-Express" in Förderstedt, einem Versandhandel für Hundefutter mit 200 verschiedenen Produkten. Mit der Beschäftigung eines Menschen mit Behinderung ist er ein Wagnis eingegangen, das sich nicht viele Unternehmer zutrauen.

Streuer selbst, der auch Tierarzt ist, hatte die Idee dazu, weil er immer wieder vom Begriff der Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft gehört hatte und das einmal selbst in seinem Betrieb ausprobieren wollte.

"Und Ronny hat sich dermaßen gut gemacht und so gut ins Kollegenteam eingefügt, dass auch meine Mitarbeiter mich gebeten haben, ihn zu übernehmen", sagt Hans-Jürgen Streuer. Ronny Weiß hat bis jetzt keinen einzigen Fehler gemacht: Alle Sendungen sind mit dem Kürzel des Verpackers gekennzeichnet. Bei seinen Paketen gab es bis jetzt keine Reklamationen oder Beanstandungen der Kunden.

Vom Praktikum zum Job

Ronny Weiß arbeitet beim "Pansen-Express" ohne Einschränkungen wie die anderen sechs Vollzeit- und drei Teilzeitmitarbeiter. Er stellt die angelieferte Ware für die Kunden in Paketen zusammen und macht diese für die Post fertig. Einziger Unterscheid: Er arbeitet sechs Stunden am Tag.

Seit Mitte August ist Ronny Weiß beim "Pansen-Express", zuvor hatte er seinen neuen Chef in einem sechswöchigen Praktikum von sich überzeugt. Der Arbeitsplatz von Ronny Weiß, der zuvor 13 Jahre in der Werkstatt der Lebenshilfe tätig war, ist ein sogenannter Außenarbeitsplatz der Lebenshilfe-Werkstatt. "Mit den Außenarbeitsplätzen versuchen wir, behinderte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln", erklärt Andreas Patzold, Werkstattleiter der Lebenshilfe.

Vom Status her bleiben diese Arbeitskräfte Beschäftige der Lebenshilfe-Werkstätten. Die Verträge können, handelt es sich um Unternehmen mit schwankender Auftragslage, auch monatsweise abgeschlossen werden. Die Firmen bekommen für die Beschäftigung der behinderten Menschen einen Zuschuss über drei Jahre.

Die Bezahlung der Menschen erfolgt weiter über die Lebenshilfe. "Für die Mitarbeiter der Werkstatt haben wir verschiedene Kategorien. Jemand wie Ronny, der in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen außerhalb unserer Werkstätten arbeitet, ist das natürlich eine größere Leistung. Das erfordert mehr Motivation und Selbstständigkeit. Damit wird er automatisch in eine höhere Lohn-Kategorie befördert", erklärt Lebenshilfe-Geschäftsführer Stefan Labudde.

Häufig gibt es Berührungsängste bei Firmen

Das Projekt der Außenarbeitsplätze liegt der Lebenshilfe-Leitung besonders am Herzen. Behinderte Menschen erfahren so Anerkennung und werden in die Gemeinschaft des Kollegiums integriert. Das gibt einen guten Schub Selbstbewusstsein.

Neben etlichen Praktikumsstellen gibt es aktuell fünf dauerhafte Außenarbeitsplätze für behinderte Menschen bei verschiedenen Firmen. Dabei sind die Werkzeugbau und Kunststofftechnik Kruse in Egeln-Nord, die Böla-Staßfurt Dienstleistungsgesellschaft, TechniSat in Staßfurt und das Schullandheim Tarthuner Wöhl.

Einfach sei es allerdings nicht, Unternehmen von der Beschäftigung behinderter Menschen zu überzeugen, erklärt Claudia Soldin vom Sozialen Dienst der Lebenshilfe. "Es gibt Berührungsängste, auf Seiten unserer Werkstatt-Mitarbeiter und bei den Unternehmen und den dortigen Kollegen", sagt sie. Ein Erfolg wird eine Beschäftigung nur dann, wenn der Behinderte von seinen neuen Kollegen akzeptiert und angenommen wird. Klappt das nicht, fühlt sich auch der Arbeitnehmer nicht wohl und möchte lieber wieder in seine vertraute Umgebung zurück, in die Lebenshilfe-Werkstatt - so ist es leider meist der Fall.

Ronny Weiß dagegen ist überglücklich mit seinem Arbeitsplatz. Die Pansen legt er vorsichtig in das Paket und geht dann die Liste der Bestellung noch einmal akribisch durch, um sicher zu sein, dass auch nichts fehlt.

"Mir gefällt es hier sehr gut", sagt er, "weil man hier immer zu tun hat. Ich habe mich hier eingewöhnt und es macht mir viel Spaß." Er selbst wohnt in Borne, ist 32 Jahre alt und kommt jeden Tag mit dem Lebenshilfe-Fahrdienst zu seinen Arbeitsplatz.