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Kreistag Kunert oder Rettig - einer muss weichen

20.06.2014, 01:23

Stendal l Wer die Grundrechenarten noch fix beherrscht und obendrein auf das Verfahren des Mathematiker-Duos Hare/Niemeyer für die Sitzverteilung anzuwenden versteht, ist derzeit bei der Vorbereitung der neuen Kreistagsperiode eindeutig im Vorteil.

Die Grünen im Landkreis Stendal, die vor der Kommunalwahl vielfach den Aufbruch propagierten, haben da offenbar in entscheidenden Situationen nicht genau aufgepasst.

Dass die Grünen die CDU stärker machen als sie ist und ihren langjährigen Bündnispartner Die Linke schwächen, stand so jedenfalls nicht in ihrem sehr umfangreichen Wahlprogramm. Genau das aber könnte jetzt eintreten.

Was ist passiert? Jahrelang bildeten Linke und Grüne eine Fraktionsgemeinschaft im Kreistag, die allem Anschein nach reibungslos funktionierte. Grünen-Ikone Eduard Stapel setzt diese Tradition auch in der neuen Wahlperiode fort, Neueinsteigerin Sylvia Gohsrich spaltet sich davon jedoch ab. Die Parteilose will fraktionslos bleiben. Und das hat jetzt Folgen.

Im Kreisausschuss bekäme CDU die Mehrheit

Ausgerechnet in den beiden derzeit wichtigsten Gremien, die der Kreistag bestimmen kann, kippt durch Gohsrichs Abweichen von der bisherigen Linie das Machtverhältnis - zu Gunsten der CDU, zu Lasten der Linken.

Im wichtigsten Ausschuss des Kreistages, dem Kreis-, Vergabe und Personalausschuss, führt die Teil-Rochade der Grünen sogar zur absoluten Mehrheit für die CDU-Vertreter, denn in dem siebenköpfigen Ausschuss bekommen die Christdemokraten neben Landrat Carsten Wulfänger nun drei Sitze. SPD, Linke und Landwirte/FDP erhalten jeweils einen. Wären beide Grünen indes wieder mit den Linken in einer Fraktion, bekäme diese einen Sitz von den Christdemokraten, die beiden größten Fraktionen hätte je zwei Sitze. Linke, SPD und Landwirte/FDP könnten bei Bedarf die beiden CDU-Vertreter und den Landrat überstimmen.

Noch pikanter ist die Situation indes beim Verwaltungsrat der Kreissparkasse. Sechs Vertreter aus ihrer Mitte kann die Kreispolitik in das 15-köpfige Gremium entsenden - nach heutigem Stand verliert auch hier die Linke einen ihrer beiden bisherigen Sitze an die CDU. Das trifft in diesem Fall nicht irgendwen, denn die Partei bot bisher mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Günter Rettig und der Bundestagsabgeordneten Katrin Kunert hier zwei Hochkaräter auf.

Insbesondere Kunert hat in den vergangenen zwölf Monaten hinter den Kulissen maßgeblich die Aufklärung der Verfehlungen von Ex-Vorstandschef Dieter Burmeister gefordert und - in dem engen Rahmen, der Verwaltungsratsmitgliedern öffentlich möglich ist - auch offensiv Position bezogen. Dass sie dies weiter tun will, hat Kunert stets bekräftigt. Bei der Kommunalwahl hatte das Folgen. Katrin Kunert konnte ihr Wahlergebnis von vor fünf Jahren fast verdoppeln. Ihre mehr als 6000 Stimmen sind ein historischer Wert und machen mehr als ein Fünftel des Ergebnisses ihrer Partei aus.

Rettig: Kompromiss statt "Kampfentscheidung"

Günter Rettig wiederum ist Zweiter Stellvertreter des Verwaltungsratsvorsitzenden. Auch er hat stets durchblicken lassen, dass er gerne eine weitere Periode die Aufsichtspflichten in dem Gremium wahrnehmen möchte, in das sich vor gerade einmal zehn Jahren die damalige PDS im Landkreis erst einklagen musste - gegen erbitterten Widerstand, ins- besondere der Christdemokraten.

Am Montag will die Linke-Fraktion ihr Personal-Tableau für den Kreistag beschließen. Rettig wollte sich noch nicht festlegen, deutete aber in der Verwaltungsrats-Frage Kompromissbereitschaft an. "Es wird keine Kampfentscheidung geben", ließ er auf Volksstimme-Nachfrage durchblicken.

Bei den Grünen hoffen unterdessen einige jetzt doch noch auf einen Aufbruch. So könnte sich Sylvia Gohsrich bei ihren Einstieg in die Kommunalpolitik auf ihre beiden Fachausschüsse im Stendaler Stadtrat konzentrieren und ihr Kreistagsmandat zurückgeben, heißt es in Parteikreisen. Gohsrich hat dies vor einer Woche im internen Kreis offenbar angeboten. Das war zu dem Zeitpunkt jedoch verworfen worden. Die Folgen waren da allerdings noch nicht so bekannt. Käme es irgendwann dazu, würde jedenfalls wieder neu gerechnet.