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Abbenrode: ab 1. April nur noch "Rezept-Sprechstunde" mit der "Gemeindeschwester" Bittere Pille: Arzt-Praxis macht dicht

Von Rainer Marschel 19.02.2011, 04:32

Ab 1. April wird aus der zeitweiligen Abbenröder Arztpraxis einmal wöchentlich eine "Rezept-Sprechstunde". Patienten müssen für den Arztbesuch dann nach Stapelburg oder nach Ilsenburg ausweichen.

Abbenrode/Stapelburg/Ilsenburg. Eine Arztpraxis wird aufgegeben. Das Bedauern darüber ist in Abbenrode riesig. In wenigen Wochen wird in der "Baracke", die eigentlich das Dorfgemeinschaftshaus ist, der letzte Patient behandelt. Jegliche Versuche, die Schließung der liebgewonnenen Praxis von Dr. Jürgen Schlegel (59) doch noch abzuwenden, scheiterten bereits im Ansatz. Die Gründe liegen auf der Hand: Sein einstiger Chef, Dr. Michael Sonnenburg, hängt das Stethoskop zum 1. April endgültig an den Nagel. Ein Nachfolger wurde händeringend gesucht, bis heute vergebens. Und daran dürfte sich auch kaum etwas ändern. Damit ist die "Gemeinschaftspraxis" ab 1. April automatisch ein "Ein-Mann-Betrieb".

Während sich die eigentliche Praxis der beliebten Ärzte in Ilsenburgs Faktoreistraße befindet, hatten sich die beiden Mediziner Außen-stellen in Stapelburg und Abbenrode eingerichtet. Im Falle Dr. Schlegels war das seit dem 1. Mai 1982 in Abbenrode der Fall. Insofern geht dort in Kürze eine Ära zu Ende. Eine bittere Pille für 600 registrierte Patienten in diesem Ortsteil mit seinen knapp 1000 Einwohnern. Dr. Schlegel: "Etwa 200 davon besuchen meine Sprechstunde mindestens einmal pro Quartal."

Beide Ärzte behandeln zusammen in diesem Zeitraum – einschließlich in Ilsenburg und Stapelburg – bis zu 2400 Patienten. Im Computer seien sogar 15 000 Nordharzer registriert. Schlegel: "Ich muss jetzt unbedingt Strukturen schaffen, wie ich das allein hinbekomme." Insofern bleibe dem Mediziner keine Wahl, auch wenn es ihm sichtlich schwer zu fallen scheint. "Natürlich bin ich traurig über das altersbedingte Ausscheiden von Dr. Sonnenburg", so Schlegel auf Nachfrage. Immerhin ist er selbst Abbenröder. Arbeitstage von bis zu zwölf Stunden gelten bei ihm als normal. Doch so ganz tatenlos habe er dem "Abschied auf Raten" nicht dem Selbstlauf überlassen. Längst sei mit der Abbenröderin Uta Alexander eine Mitarbeiterin zur sogenannten "Verah-Assistentin" ausgebildet worden. Dahinter verbirgt sich so etwas wie eine frühere Gemeindeschwester. Sie werde in Ilsenburg, Stapelburg und eben auch in Abbenrode Hausbesuche vornehmen.

Akut Erkrankte will Dr. Schlegel allerdings weiter selbst behandeln. Jeden Freitag zwischen 8 und 10 Uhr soll es künftig mit der "nichtärztlichen Fachkraft" eine "Rezept-Sprechstunde" in Abbenrode geben. Zumindest dafür müsse also niemand über Land fahren.

Im Vergleich kommen anderswo etwa 2,5 Schwestern auf einen Arzt. Im Falle seiner Praxis sind das künftig vier. An den Sprechstunden in Stapelburg soll sich aber nichts ändern: dienstags von 14 bis 17 und donnerstags von 8 bis 11 Uhr.

"Neue Strukturen, um das allein hinzubekommen"

Die Abbenröder müssen also in Kürze dorthin wechseln oder bei schwerwiegenderen Krankheitsbildern gleich nach Ilsenburg. Dies wird sicher ein logistisches Problem für die hauptsächliche Klientel der Rentner. Diese fahren oft nicht Auto und sind somit auf den Bus angewiesen. Darauf verweist nicht nur Patientin Birgit Henne. Die Abbenröderin bedauert zutiefst, dass der kurze Weg zum Arzt künftig sehr viel umständlicher werde. Von den absehbar längeren Wartezeiten in Ilsenburg ganz zu schweigen. Auch Patientin Ingelore Heinrich zeigt sich enttäuscht, dass im Ort "eins nach dem anderen" wegbreche: "Schule, Post, Einkaufsmarkt und nun auch noch die Arztstation. Solange ich denken kann, hatten wir einen Arzt in Abbenrode." Der Blick ins nahe niedersächsische Lochtum ist dabei auch nur ein schwacher Trost. Die Nachbargemeinde sucht bereits seit 1990 vergebens einen Arzt.