1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Der eingeschlagene Weg soll weiter fortgesetzt werden

Fachtagung des Beirates für Menschen mit Behinderungen und Diakonieverein in Wolfen Der eingeschlagene Weg soll weiter fortgesetzt werden

10.05.2010, 05:23

Zerbst/Wolfen (ja/mz/ung). "Wie ein Stern, der deinen Namen trägt" – so hallte es am Freitag durch den Saal 063 des Wolfener Kulturhauses. Ein stimmungsvoller Abschluss für die Fachtagung, die hier anlässlich des Europäischen Protesttages gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen durchgeführt wurde – vorgetragen von den Tänzern der Wohngruppe des Diakonievereins Bitterfeld-Wolfen-Gräfenhainichen.

"Wir müssen damit aufhören, immer erst die Defizite zu betrachten."

"Eine sehr gelungene Veranstaltung", resümierte im Pressegespräch Dagmar Zoschke als Vorsitzende des Behindertenbeirates des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, der die Tagung mit der Diakonie und der Behindertenbeauftragten des Landkreises, Susanna Krepinsky, organisiert hatte (die Volksstimme berichtete).

Vor allem die gespannte Aufmerksamkeit der geladenen Fachleute sei dabei ins Auge gefallen. Schließlich ging es diesmal auch um zwei wichtige Themen, denen man sich künftig verstärkt widmen will: Dem inklusiven Lernen unter dem Motto "Eine Schule für alle" sowie dem selbstbestimmten Wohnen von Menschen mit Handicaps. Jeder nehme das Recht für sich in Anspruch, sagte Zoschke, selbst zu entscheiden, wo er hingeht, was er tut und eben auch, wo er wohnt. "Wir müssen damit aufhören, immer zuerst die Defizite zu betrachten, sondern dieses Recht auch Behinderten zuzugestehen – soweit es möglich ist natürlich."

Margitta Wolf aus Zerbst hatte eindrucksvoll geschildert, wie sie schon seit langem kämpft, als Rollstuhlfahrerin von einem Heim wieder zurück in eigene vier Wände ziehen zu können. Das allerdings ist nicht so einfach: Da sie dort den Alltag nicht allein bewältigen könnte, wäre dafür eine Assistenz nötig. Höhere Kosten und geografische Kompetenzfragen, weil die Frau früher im Jerichower Land ansässig war, lassen die Lösung des Problems momentan schier unmöglich erscheinen.

"Mit solchen Problemen werden wir tagtäglich konfrontiert."

Doch gerade das soll es nicht bleiben – der Behindertenbeirat stelle sich auch auf längere "Kämpfe" ein, wie betont wurde. Einmal mehr und gerade deshalb, weil die Ziele der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ganz konkret auch in der kleinsten Einheit umgesetzt werden sollen.

"Mit solchen Problemen werden wir tagtäglich konfrontiert", erklärte Lucie Zschiegner, Vorstand des Diakonievereins. "Doch selbstbestimmtes Wohnen erfordert einen langen Prozess mit vielen Phasen der Hilfe." Dazu gehöre bei so manchem zum Beispiel auch, Dinge des Alltags erst einmal zu erlernen: kochen, putzen, waschen, Leben organisieren, Kontakte knüpfen. Dass auch das geht, haben zwei junge Leute der Diakonie anhand ihrer Lebenswege beschrieben. Und man habe gemerkt, wie sie sich jetzt wohl fühlen.

Ein "Allheilmittel" indes, betonte Zschiegner, sei diese Selbstständigkeit nicht. Es müsse immer abgewogen werden, wo Betreuung im Heim oder in der Wohngruppe besser ist für die Betroffenen.

Ein ganzes Stück weiter gekommen sei man im Landkreis schon beim Thema Inklusion, wie die Initiatoren betonten. Landrat Uwe Schulze (CDU), der Schirmherr der Tagung war, wisse, in welche Richtung das läuft.

In absehbarer Zeit könne man an die Erarbeitung eines Aktionsplanes gehen, um in möglichst vielen Bereichen Barrierefreiheit zu schaffen und damit in der Lage zu sein, Behinderte noch mehr ins normale Leben zu integrieren. Das beginne schon bei sämtlichen Baumaßnahmen, sagte Susanna Krepinsky, wo noch zu oft nicht an solche Erfordernisse gedacht werden würde.

Natürlich sei eine "Schule für alle" ein noch fernes Ziel, aber Möglichkeiten der integrativen Beschulung gebe es jetzt schon – und die seien durch teilweise nur geringfügige Maßnahmen durchaus zu erweitern: Auffahrten für Rollstuhlfahrer beispielsweise. Und dauerhaft müssten die Lösungen sein.

Alles in allem habe die gestrige Tagung die Zuversicht dafür erhöht, dass man den begonnenen Weg unbedingt Schritt für Schritt fortsetzen müsse. Und nicht zuletzt die Atmosphäre der Veranstaltung, die auch durch die kulturellen Einlagen von Lebensfreude und Frohsinn geprägt gewesen sei, habe dazu beigetragen.