1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Besuch im Brauereichen

Tag des Bieres Besuch im Brauereichen

Ein Prosit auf den Gerstensaft! Heute feiern unsere Brauer den Tag des
Deutschen Bieres. Denn an einem 23. April vor fast 500 Jahren wurde das
Reinheitsgebot festgelegt. In Bitterfeld wird nach dieser Vorgabe in
Mini-Version gebraut. Dort gibt es gerade einmal fünf Mitarbeiter.

Von Elisa Sowieja 23.04.2014, 03:21

Bitterfeld l In der Bitterfelder Brauerei ist alles etwas kleiner. Das geht schon mit der Braumeisterin los. Jacqueline Christ heißt sie, hat knallpinke Haare und misst nicht mehr als 1,54 Meter. Diese anderthalb Meter haben es allerdings in sich: Gespickt mit einer Kollektion von flotten Sprüchen erklärt sie bei einem Rundgang, wie sie aus Wasser Bier macht.

Da lernt man dann, dass Läutern hier nichts mit kirchlicher Bestrafung zu tun hat, sondern mit der Trennung von Flüssigkeit und Malzresten. Oder dass im Whirlpool keine Mitarbeiter baden dürfen - darin wird nämlich das Wasser-Hopfen-Malz-Gemisch gedreht, um ungewollte Bestandteile loszuwerden.

So ein Rundgang mit der quirligen jungen Frau ist nicht nur kurzweilig, er dauert auch tatsächlich nur ein paar Minuten. Denn in der Brauerei spielt sich alles in einer einzigen Halle ab, in der im Kern drei Menschen für die Bierherstellung zuständig sind: ein Brauer, ein Anlagenfahrer und sie, die den Überblick behält. "Bei uns muss jeder alles können. Sonst funktioniert es nicht, wenn einer krank oder im Urlaub ist", erzählt die 32-Jährige. Zum Team gehören noch ein Azubi und einen Getränkelieferant - das ist auch schon die gesamte Belegschaft.

Etiketten stempeln wie Christel von der Post

Im Vergleich zu Sachsen-Anhalts größter Brauerei, Hasseröder in Wernigerode, ist das nahezu niedlich. Immerhin zählt sie 320 Mitarbeiter. Auch zwischen den Biermengen, die beide verkaufen, liegen Welten: Was in Bitterfeld in einem Jahr zusammenkommt - zwischen 3000 und 5000 Hektoliter -, verkaufen die Wernigeröder rechnerisch gesehen an einem Tag. Dort liegt die Jahresmenge bei 2,5 Millionen Hektoliter.

2009 brauten Jacqueline Christ und ihr Team sogar nur 500 Hektoliter. Damals ging es erst wieder los mit dem Bitterfelder Bier. Getränkehändler Harald Eisenmann machte die Brauerei neu auf - 18 Jahre nachdem der Traditionsbetrieb von 1880 der Wende zum Opfer gefallen war. Ein mutiger Schritt im Angesicht der Konkurrenz riesiger Brauereikonzerne, von denen eine übrigens auch Hasseröder gekauft hat. Eisenmann erklärt ihn damit, dass er damals in seinem Laden den Trend zu regionalen Produkten erkannt habe.

Beim Aufbau hielt er es wie mit dem Zapfen eines guten Bieres: Er ließ sich Zeit. Los ging es mit drei Mitarbeitern und sechs kleinen Tanks. Die Braumeisterin erinnert sich: "Normalerweise hat man die einen zum Gären und die anderen zum Lagern. Aber wir haben beides in denselben Behältern gemacht, immer abwechselnd." Die Frau in Pink grinst, dann erzählt sie noch einen Schwank. Diesmal vom Etikettieren.

"Wir haben die Kisten mit leeren Flaschen in die Mitte der Halle gestellt, sie mit einem Wasserdampf-Schlauch abgespritzt und danach die Etiketten per Hand abgepult. Das gab ordentlich Hornhaut. Danach hab` ich die neuen Etiketten angeklebt und das Verfallsdatum draufgestempelt. Ich kam mir vor wie Christel von der Post", witzelt sie.

Bierwerbung: "Du vermisst es doch auch!"

In Sachen Marketing hingegen setzte ihr Chef von Anfang an auf Modernes. Ein großflächiger Beweis dafür hängt an einer Häuserwand nahe der Brauerei. Darauf räkelt sich eine leichtbekleidete Brünette unter dem Spruch: "Du vermisst es doch auch!" Offenbar finden sich so einige Fans des alten Biers - oder der jungen Brünetten. Jedenfalls hat es das Bitterfelder in die großen Supermärkte der Region geschafft. Die Ellenbogen rausstrecken muss er immer wieder, erzählt Harald Eisenmann. Doch das Geschäft läuft, sagt er.

Jacqueline Christ merkt das auch, zum Beispiel weil sie statt sechs heute elf Tanks zum Gären und Lagern hat - und eine Etikettiermaschine. Doch Aufrüstung hin oder her: Technische Unterschiede zur Großbrauerei gibt es noch immer. Es läuft einfach weniger automatisch.

Genau das gefällt der 32-Jährigen. "Alles nur am Computer zu beobachten, das wär` nichts für mich", erklärt sie. "Außerdem haben wir hier die Möglichkeit, neue Sorten im Kleinen auszuprobieren." Das Weihnachtsbier zum Beispiel, oder Doppelkaramell - natürlich alles streng nach Reinheitsgebot nur aus Wasser, Hopfen, Malz und Hefe gebraut.

Und dann erzählt Jacqueline Christ von noch einem Grund, aus dem sie sich in ihrem Brauereichen so wohl fühlt: "Das hier hat einfach mehr Charme."

Das merkt sie zum Beispiel jeden Freitag. Dann kommt Bauer Holger mit seinem Pferdegespann vorbeigefahren und holt die Maisabfälle ab. Manchmal sogar im ganz kleinen Stil: mit Ponys.