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Sportgruppe für Diabetiker Der Lauf gegen den Blutzuckerwert

Sie teilen die Krankheit und den Willen, mit Bewegungssport dem Diabetes
zu trotzen. Zweimal wöchentlich trifft sich eine Gruppe zum Walken und
Laufen. Und verblüfft mit ihren Blutzuckerwerten.

Von Marco Papritz 26.11.2014, 02:17

Magdeburg l Das Herbstwetter zeigt sich in diesen Tagen von seiner typischen Seite. Es ist nasskalt und unfreundlich, zudem in den späten Nachmittagsstunden bereits dunkel. Die Gruppe um Gründer Dr. Jochen Mundschenk lässt sich von den widrigen Bedingungen nicht abhalten und findet sich im Klosterbergegarten am Fuße der Sternbrücke zum Walken (englisch: gehen) ein. Den inneren Schweinehund haben die Mitglieder der Gruppe "Lauf dich gesund" auf die heimische Couch verbannt. "Denn wir wissen, was die Treffen bewirken", klärt Ute Kramer auf und spricht dabei Jochen Mundschenk aus dem Herzen.

2002 ist bei ihm Diabetes festgestellt worden. Typ 1. Im Kindesalter spielte Mundschenk beim Fußballclub Mainz 05. "Vor meiner Erkrankung bin ich regelmäßig gelaufen. Sport konnte ich dann anfangs vergessen, da ich schnell in den Bereich der Unterzuckerung kam", so der Arzt. Nach der Stabilisierung der Erkrankung konnte er sich mit "ein paar Kniffen" wie einer vorherigen Mahlzeit oder dem Herunterdrehen der Insulinpumpe langsam wieder an Sport heranwagen. Gern mit anderen Betroffenen, um sich auszutauschen, so ein Wunsch. Doch für Diabetiker gab es zu der Zeit in Magdeburg keine Gruppen. Bis zum vergangenen Jahr. "So selten ist die Erkrankung nicht. In Deutschland gibt es ca. 400 000 Typ-1-Diabetiker. Ich dachte mir, dass andere mit einem ähnlichen Problem zu kämpfen haben und sich gern bewegen möchten", sagt er.

Mittlerweile hat sich das Angebot herumgesprochen, die Gruppe füllt sich von Kurs zu Kurs immer mehr. "Das liegt auch an der sozialen Komponente", so Uwe Haake. Einzeln würden sich einige Teilnehmer nicht zum Walken in den Stadtpark begeben, so ein Beispiel: "Wenn man weiß, dass sich eine Gruppe trifft, ist der Druck etwas größer, beim Treffen dabei zu sein. Es gibt eigentlich keine Ausreden." Außerdem sei in einer Gruppe gewährleistet, das jemand helfend zur Stelle ist, "wenn es mir körperlich nicht gut gehen sollte. Dieses Wissen sorgt für Sicherheit."

Muskeln werden auf- und Fett abgebaut

Die Gruppe ist Teil des sogenannten Diabetesprogramms Deutschland, einem bundesweiten Laufprogramm. In Laufcoach Uwe Haake wird er bei einem Experten fündig, der die Diabetesgruppe fachlich begleitet. Mit dem Magdeburger Leichtathletikverein (MLV) "Einheit" um Vorsitzenden Detlef Näther gewinnt er eine Heimat. So kann die Gruppe, die unter dem Motto "Mensch, lauf dich gesund" aktiv ist, von Krankenkassen gefördert werden. Sie unterstützen das Engagement beim Kursbeitrag.

Der Mehrwert für die Erkrankten liege auf der Hand, so Mundschenk: Typ-2-Erkrankte seien oft übergewichtig. "Sie verfügen über eine Insulin-Resistenz, daher erhalten sie unterstützende Medikamente", so der Arzt. Jegliche Form von Bewegung sorge für die Verbrennung des Proteohormons (fettunlöslich). Muskeln werden auf- und Fett abgebaut - es komme zu einer Umverteilung. Mundschenk: "Im Idealfall kommt zum Bewegungstraining ein Krafttraining hinzu, um den Muskelaufbau zu unterstützen."

Bereits nach wenigen Wochen stellen sich Ergebnisse ein: Die Beweglichkeit wird durch das standardisierte Aufwärm- und Dehnungsprogramm sowie die Laufeinheit erweitert. Und - das Selbstwertgefühl wächst. "Es ist ein gutes Gefühl, mit dem ich nach Hause gehe", so Helga Riecke. Sie ist seit 2007 an Diabetes erkrankt und verpasst keines der Treffen dienstags und freitags, wenn sich die Gruppe mit einer Erwärmung auf die Runde begibt.

Während der Bewegungseinheit sinkt der Blutzuckerwert, wie Messungen im Anschluss dokumentieren: Ein zweistelliger Wert könne beispielsweise auf 6 oder 5 sinken - die Teilnehmer kommen normoglykämisch, mit einem Blutzuckerwert im Normalbereich, an. Dieser Effekt könne 16 bis 20 Stunden anhalten, so Jochen Mundschenk. Wichtig seien Ruhepausen zwischen den Treffs, tägliche Einheiten bergen das Risiko von Unterzuckerung, die Gefahr von Überdosierung der Medikamente. Nicht selten könnten Teilnehmer durch den Sportkurs auf die Einnahme von Medikamenten verzichten. "Mit Laufen und Walken werden wir nicht geheilt. Lebensverlängernd ist der Sport auf jeden Fall", ist sich Mundschenk sicher.

Am 12. Januar startet ein neuer Kurs. Informationen und Anmeldungen sind per E-Mail an mlv@mlv-einheit.de und bei Uwe Haake unter Telefon 0175/715 53 34 erhältlich.