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Kifög Buh-Rufe für den Kita-Minister

01.07.2015, 01:10

Dessau-Roßlau l Die Liste der Kläger ist lang. Mehr als die Hälfte der Städte und Gemeinden Sachsen-Anhalts hat das Landesverfassungsgericht angerufen, die Regelungen des Kinderförderungsgesetzes (Kifög) zu überprüfen. Und weil das Gericht um Präsident Winfried Schubert in den nächsten Wochen jeden einzelnen Wortlaut des Kita-Gesetzes auf die Goldwaage legen wird, wollte Schubert die Verhandlung am gestrigen Dienstag auch ganz korrekt beginnen. Äußerst geduldig verlas er jede der 63 Städte und Gemeinden, die Verfassungsbeschwerde gegen das Kifög eingereicht haben.

Wichtigstes Projekt der Wahlperiode

Federführend vorbereitet worden ist das Gesetz im Haus von Sozialminister Norbert Bischoff. Der SPD-Politiker ließ es sich nicht nehmen, selbst zur Verhandlung zu erscheinen. Dass ein Minister persönlich kommt, hat man am Landesverfassungsgericht auch noch nicht oft gesehen.

Doch für Bischoffs SPD ist das Kifög das vielleicht wichtigste Projekt der laufenden Wahlperiode. Kindern und Eltern Gutes tun - das stand beim Sozialminister ganz oben auf der Liste. Die Ziele: Ganztagsanspruch für alle Kinder, mehr Personal in den Kitas, Entlastung von Mehrkindfamilien. Das steckt im neuen Kifög seit August 2013 auch drin. Doch die Unwuchten des Gesetzes erregen die Gemüter bis heute.

Im Gerichtssaal bekam das Bischoff deutlich zu spüren. Während seiner Stellungnahme wurde der SPD-Politiker von den Vertretern der Städte und Gemeinden ausgebuht. "Wir haben alle Erkenntnisse benutzt, ein auskömmliches Gesetz auf den Weg zu bringen", sagte Bischoff. Doch im Spott der Zuhörer gingen seine Worte unter.

"Auskömmlich" - daran hat sich der Kifög-Konflikt entzündet. Streitpunkte gibt es jedoch noch mehr:

Die Hochzonung
Früher waren die Gemeinden für die Kitas verantwortlich, heute sind es nach dem Willen des Landes die Landkreise. "Das ist ein massiver Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung", sagte Johannes Dietlein, der die Gemeinden vertritt. Den Kommunen dürften nur Aufgaben weggenommen werden, wenn etwas nicht funktioniere. "Dafür gab es keine Anzeichen", sagte Dietlein. Die Landesregierung argumentiert anders: Die Landkreise seien örtlicher Träger der Jugendhilfe und damit nach dem Sozialgesetzbuch schon immer zuständig.

Die Mehrkosten
Mehr Personal, Bildungsprogramm, Qualitätsmanagement - das hat das Land umgesetzt und dafür die Zuschüsse an die Kommunen erhöht. Laut den Gemeinden sind die Pauschalen zu gering. Kalkuliert wurden diese auf einer Betreuungszeit von acht Stunden. "In vielen Kitas sind die Kinder mehr als neun Stunden da. Das Geld reicht nicht", sagte Jürgen Leindecker vom Gemeindebund. Das Land verweist auf eine geplante Evaluierung im Jahr 2016. Dann könnte nachgebessert werden.

Das Bildungsprogramm
Mit dem Kifög wurden neue Qualitätsstandards eingeführt. Die Gemeinden bezweifeln, dass diese durch das Land "so beliebig verschärft" werden dürfen. Inhalt und Zweck seien im Gesetz nicht ausreichend bestimmt, kritisieren sie.

Die Zuständigkeit
Wer sein Kind in einer anderen Gemeinde in die Kita bringt, zahlt trotzdem die Kita-Gebühren der Wohnortgemeinde. In einigen Fällen müssen Eltern deutlich mehr zahlen als Eltern in der Gemeinde, in der das Kind in die Kita geht. Für Dietlein ist auch das ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Er kritisierte das "fremde Gebührendiktat". Er sagte: "Es spaltet die Eltern, wenn in der gleichen Einrichtung unterschiedliche Beiträge gezahlt werden."

Das Landesverfassungsgericht will seine Entscheidung zum Kifög am 20. Oktober verkünden. Sachsen-Anhalts Bürgermeister sind froh, "dass nun endlich alle Argumente auf dem Tisch liegen", wie der Genthiner Bürgermeister Thomas Barz der Volksstimme sagte. Allein an Personalkosten muss er seit der Kifög-Novellierung pro Jahr 200000 Euro mehr aufbringen. Barz bedauert, dass der Konflikt vor dem Verfassungsgericht gelandet ist. "Ich hätte mir gewünscht, dass sich Land und Kommunen an einen Tisch setzen und das klären. Aber das war leider nicht möglich."

Am 20. Oktober die Entscheidung zum Kinderförderungsgesetz fallen. Foto: Nicolas Armer/Archiv
Am 20. Oktober die Entscheidung zum Kinderförderungsgesetz fallen. Foto: Nicolas Armer/Archiv
dpa