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US-Präsidentschaftswahl Ende des imperialen Stils

Von Franz Kadell 03.11.2008, 05:05

Hätten die Europäer morgen den amerikanischen Präsidenten zu wählen, wäre ein klarer Sieg Obamas sicher. Doch in den USA wagt so recht niemand eine sichere Prognose. Die Spannung liegt nicht allein darin, dass erstmals ein Farbiger ins Weiße Haus ziehen könnte, sondern auch und vor allem darin, dass die Wahl zu einer Zeit stattfindet, in der sich die einzige wirkliche Weltmacht finanzpolitisch und außenpolitisch in einer Krise befindet. Somit steht hinter dem Wahlausgang das Fragezeichen seiner globalen Folgen.

Gleich wer gewinnt – einiges lässt sich schon sagen. Bush, und mit ihm die Cheneys und Rumsfelds, sind gescheitert. Der Glaube, die Mission der USA hieße weltweite Demokratisierung, hat auf dem arabisch-islamischen Feld sein Ende gefunden. Das betrifft auch den militärischen Interventionismus. Auch ein McCain wird den brachialen imperialen Stil der Vorgängerregierung nicht weiterführen können. Jeder Präsident, wenn auch Obama mehr als McCain, wird neues Vertrauen für globale Kooperation suchen.

Wie die neue Diplomatie aussieht, wird sich bald an den Beispielen Iran und Russland, dort genauer an der Frage der NATO-Wünsche Georgiens und der Ukraine, zeigen. Der schon eingeläutete Rückzug aus dem Irak dürfte sich etwas beschleunigen. Afghanistan dagegen bleibt ein ungelöstes kriegerisches Problem, Obama hin, McCain her, auch für die Verbündeten. Und was wird aus Pakistan?

Nicht nur die Außenpolitik, sondern auch weite Teile der Innenpolitik standen unter dem Trauma des 11. September. Der neue Präsident wird die Legitimität vieler Maßnahmen neu bewerten müssen. Guantanamo wird wohl endlich geschlossen werden.

Der neue Präsident wird die Amerikaner durch die Finanzkrise führen müssen. Der Weg ist voller Unwägbarkeiten. Was ist mit den enormen Kreditkartenschulden? Die kritische Gesamtlage würde zwar Obamas Vorstellungen von einer Reform des Gesundheitssystems bremsen, aber beide Kandidaten werden eine allzu große Konsumdrosselung nicht zulassen. Die Finanzpolitik des großzügigen Geldes wird nicht grundsätzlich in Frage stehen.

Amerikanisches Handeln ist globales Handeln, bestimmt nicht nur das Verhältnis der USA zu den anderen Machtzentren, sondern auch umgekehrt das Verhältnis dieser zu den USA. Das Wechselspiel zwischen Interventionismus und Isolationismus der USA kann es nicht mehr geben. China braucht den US-Markt, um selbst zu wachsen, und verschont die USA deshalb mit dem möglichen Abzug seiner Dollaranlagen. Russland verbirgt mühsam, wie sehr es von der Finanzkrise getroffen ist. Hinter der Fassade der Rohstoffmacht und seiner Milliardärsclique steht die Wirklichkeit maroder Industrieanlagen und Modernisierungsnot. Die entscheidenden Mächte, Indien eingeschlossen, mögen an einer Schwächung der USA interessiert sein, an einer Destabilisierung sind sie es nicht.

Dass Europa keinen Nutzen aus der Finanzkrise zieht und sein relatives Gewicht zu den USA gestiegen wäre, haben die Verhandlungen der letzten Tage gezeigt. Wie sonst auch in internationalen Fragen wurde von Handlungsgeschlossenheit geredet, das Gegenteil war der Fall. Insofern liegt im europäischen Interesse nicht ein Niedergang der USA, von reichlich Schadenfreude begleitet, sondern dessen Rückkehr zu wirtschaftlicher Stärke und einer maßvoll-realistischen Außenpolitik.