1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Elektroautos haben bereits heute Potenzial für kurze Strecken in Städten

Elektroautos haben bereits heute Potenzial für kurze Strecken in Städten

Von Martin Rieß 12.12.2012, 12:06

Magdeburg ● Für viele ist ein Elektroauto Zukunftsmusik – für Jörg Dahlke ist es bereits gelebte Gegenwart. Denn seit bald zwei Jahren sammelt er Erfahrungen mit dieser Technologie neuartiger
Automobilität. Er ist seit November 2010 mit einem Twike in der Landeshauptstadt und deren Umgebung unterwegs.

Bei dem Elektroauto handelt es sich um ein in der Schweiz entwickeltes dreirädriges Fahrzeug. Eigentümer ist Jörg Dahlke nicht selbst, sondern
die Genossenschaft Helionat. Diese hat ihren Sitz im Magdeburger
Wissenschaftshafen, beschäftigt sich unter anderem mit Elektromobilität, Bürger- Solaranlagen und dem Aufbau eines Demonstrationszentrums für Erneuerbare Energien im Wissenschaftshafen – und Jörg Dahlke ist einer der beiden Vorstände.

Drinnen fühlt sich das erste Elektrofahrzeug der elbestädtischen
Genossenschaftler ein bisschen an wie eine Fahrradrikscha. Das hat nicht nur etwas mit der Leichtigkeit des Fahrzeugs zu tun, sondern vor allem damit, dass es im Fußraum Pedalen gibt. Der Fahrer und der Beifahrer sitzen nebeneinander, und beide können in die Pedalen
treten und mitstrampeln. Müssen sie aber nicht – es geht auch ohne Muskelkraft voran. Wer aber seinen inneren Schweinehund überwindet und mitmacht, kann sich in einer für Autofahrer bislang unbekannten
Weise fit halten und nebenbei Batteriestrom einsparen.

In dem Zweisitzer stecken neben den Ideen aus der Fahrradwerkstatt
auch Anleihen aus dem Segelflugsport. Dies zeigt sich nicht nur in der aerodynamischen Form des Fahrzeugs. Die Form der Kabine als
auch die Kanzel, die zum Einund Aussteigen nach vorn geklappt
wird, erinnern schon auf den ersten Blick ans Segelfliegen. Auch bei der Wahl der Baumaterialien haben sich die Konstrukteure in der Schweiz von Segelflugzeugen inspirieren lassen. Wohl daher wiegt
das leere Fahrzeug gerade einmal 300 Kilogramm.

Da die Füße auf den Pedalen stehen, wird das Fahrzeug über einen Handknüppel gesteuert. Wenn Jörg Dahlke den Hebel nach vorn drückt, geht der auf Räder gestellte Segelflieger ab. Und das mit einer Beschleunigung, die jene, die das noch nicht erlebt haben, für ein solches Gefährt im Format eines Kabinenrollers mit Pedalen niemals erwarten würden. "Mit diesem Auto kann man so ganz gut Eindruck schinden an der Kreuzung", bestätigt Jörg Dahlke diesen Eindruck.

Der flotte Start an der Ampel ist möglich, obwohl das Fahrzeug
"erfahrungsgemäß umgerechnet gerade einmal den Strom benötigt, der 0,5 Litern Benzin auf 100 Kilometer entspricht", berichtet der Magdeburger Elektroauto-Fahrer.

Allerdings ist bei einer Geschwindigkeit von 85 Stundenkilometern
Schluss mit der Beschleunigung. Damit liegt das Elektroauto weit hinter den Werten der aktuellen Kleinstwagen mit Verbrennungsmotor. Und auch bei der Reichweite kommt das Elektrofahrzeug nicht an die Werte von Benzinern und Dieselfahrzeugen heran. "Je nach Fahrweise fahre ich mit einer Ladung 100 bis 150 Kilometer", berichtet Dahlke und erklärt: "Dieser große Unterschied in der Reichweite zeigt, dass sich gerade im Elektroauto eine energiesparende Fahrweise lohnt." Sprich: Mehr denn je ist die schon lange propagierte vorausschauende und zurückhaltende Fahrweise gefragt. Und das bedeutet auch: Der Kavalierstart an der Kreuzung ist zwar gut möglich – schlägt aber,
wenn er zur Gewohnheit wird, auf die Geldbörse.

Aus einem weiteren Grund ist bei Elektro-Fahrzeugen bewusstes
Fahren gefragt. An kaum einer großen Ausfallstraße gibt es die Möglichkeit, die Akkus wieder aufzuladen. Zudem beträgt die Ladezeit bei den derzeitigen Technologien nicht wie beim Tanken von Benzin oder Diesel Minuten, sondern Stunden. "Ich muss also eine
Fahrten sehr viel genauer planen als bei einem Fahrzeug mit
Verbrennungsmotor", berichtet Jörg Dahlke. Auf dem Gelände
seines Wohnhauses im Magdeburger Herrenkrug hat er Abhilfe
geschaff en und eine eigene Ladestation eingerichtet.

Neben dem Twike besitzt die Energie-Genossenschaft inzwischen ein zweites Elektrofahrzeug: Einen umgerüsteten Audi A2. "Der verbraucht mehr Strom, gliedert sich aber auch unauff älliger ins normale Verkehrsgeschehen ein." Beide Fahrzeuge können in Magdeburg innerhalb eines Carsharingprogrammes von Interessenten
gemietet werden.