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Pflegereform Einheitlicher Beitrag für Heimpflege

Die Pflegestufen werden künftig durch Pflegegrade ersetzt. Ein Überblick zeigt, was sich für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen ändert.

02.01.2017, 23:01

Berlin (dpa/AFP/ksi) l Die Pflegereform bringt in diesem Jahr einschneidende Änderungen mit sich. Bundesregierung und Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) rechnen im ersten Jahr der Umstellung auf die neue Pflegebegutachtung mit 200 000 Pflegebedürftigen mehr. „Mehr Menschen werden – insbesondere durch den Pflegegrad 1 – als pflegebedürftig anerkannt werden und dadurch Anspruch auf Leistungen haben“, erläuterte der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes, Peter Pick. Mittelfristig würden zu den heute 2,8 Millionen Leistungsempfängern sogar weitere 500 000 hinzukommen. Hier im Überblick die wichtigsten Änderungen:

Wer hat künftig Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung?

Erstmals erhalten ab kommendem Jahr alle Pflegebedürftigen gleichberechtigt Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung – egal, ob sie von körperlichen, psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen betroffen sind.

Wie viele Pflegestufen wird es geben und wie läuft die Einstufung?

Anstelle der bisherigen drei Pflegestufen gibt es künftig fünf Pflegegrade. Der jeweilige Grad wird auf der Grundlage eines neuen Begutachtungsverfahrens ermittelt. Der Hilfsbedarf, den jemand hat, wird künftig nicht mehr in Minuten gemessen. „Das Maß für die Einschätzung von Pflegebedürftigkeit soll künftig der Grad der Selbstständigkeit eines Menschen sein – also wie selbstständig er ohne Hilfe und Unterstützung von anderen sein Leben führen kann“, erläutert Catharina Hansen von der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Hierfür gibt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung seine Einschätzung ab.

Welche Bereiche beim Begutachtungsverfahren spielen eine Rolle?

Sechs: Mobilität, geistige und kommunikative Fähigkeiten, Verhalten, Selbstversorgung, Umgang mit Erkrankungen und Belastungen sowie soziale Kontakte. Für jeden werden abhängig vom Ausmaß der Beeinträchtigung Punkte vergeben. Sie werden am Ende gewichtet und addiert. Von der Gesamtpunktezahl hängt ab, in welchen Pflegegrad ein Betroffener eingestuft wird. „Bei der bisherigen Einstufung in Pflegestufen war nur der verrichtungsbezogene Hilfebedarf bei Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung berücksichtigt worden“, erklärt Hansen.

Wie werden Pflegebedürftige über die Änderungen informiert?

Bis Ende Dezember 2016 sollten Pflegebedürftige einen Bescheid bekommen, in dem sie verbindlich über den künftigen Pflegegrad und die Leistungen informiert werden. Ist das noch nicht geschehen, sollten sich Betroffene bei der Pflegekasse melden und nachfragen.

Müssen Pflegebedürftige einen neuen Antrag stellen?

Nein. Nach dem neuen System mit Pflegegraden werden zunächst nur die Menschen begutachtet, die erst ab Januar 2017 einen Pflegegrad beantragen. Diejenigen, die bereits eine Pflegestufe haben, haben sozusagen einen Bestandsschutz. Von sich aus müssen sie nichts unternehmen. „Alle Versicherten, die am 31. Dezember 2016 bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezogen haben, werden am 1. Januar 2017 ohne neue Antragstellung und ohne erneute Begutachtung aus den bisherigen Pflegestufen in die neuen Pflegegrade übergeleitet“, betont Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung in Berlin.

Was kommt auf die Pflegebedürftigen zu?

Grundsätzlich gilt: Pflegebedürftige mit ausschließlich körperlichen Beeinträchtigungen erhalten anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächsthöheren Pflegegrad. „Die Politik hat zugesichert, dass niemand durch die Umstellung von Pflegestufe auf Pflegegrad weniger Leistungen als zuvor erhält“, sagt Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. Im Gegenteil: Die allermeisten erhalten durch die Umstellung monatlich mehr. „So erhält ein Pflegebedürftiger der Stufe zwei ohne eingeschränkte Alltagskompetenz im Pflegegrad drei insgesamt 87 Euro zusätzlich für die Pflege durch Angehörige beziehungsweise 154 Euro mehr für die Unterstützung durch einen Pflegedienst“, erläutert Kiefer.

Was ändert sich im stationären Bereich?

Im stationären Bereich wird ab Januar ein einrichtungseinheitlicher Eigenbetrag eingeführt. Innerhalb der gleichen Einrichtung sollen die Eigenanteile aller Bewohner ab Pflegegrad zwei gleich hoch sein. Erhöht sich die Hilfebedürftigkeit und führt zu einem höheren Pflegegrad, wird der Eigenanteil nicht mehr erhöht. „So sollen Pflegebedürftige und ihre Familien finanziell besser planen können“, erläutert Mascher. Dafür sinken die Zuschüsse für das Leben im Heim ab 2017: Für Menschen der Pflegestufe eins gibt es 294 Euro weniger im Monat, in der Pflegestufe zwei 68 Euro weniger, gibt Hansen zu bedenken. Durch die einheitliche Verteilung der Pflegekosten auf alle Bewohner wird es zu einer Kostensteigerung in den unteren Pflegegraden kommen.

Was bedeutet die Reform für pflegende Angehörige?

Die soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen wird verbessert. Aus der Pflegeversicherung werden für deutlich mehr pflegende Angehörige Rentenbeiträge entrichtet. Dafür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: „Der Pflegebedürftige hat mindestens den Pflegegrad zwei, und die Pflegeperson wendet wenigstens zehn Stunden in der Woche für Pflege auf“, erklärt Catharina Hansen von der Verbraucherzentrale NRW. Die zehn Stunden müssen außerdem auf mindestens zwei Tage verteilt sein. Die Pflegeperson arbeitet nicht mehr als 30 Stunden in der Woche. „Es besteht die Möglichkeit, die erforderlichen zehn Stunden zu erreichen, indem die Pflegezeit bei mehreren Pflegebedürftigen addiert wird“, so Hansen. Weitere Infos sind beim jeweiligen Pflegestützpunkt erhältlich.

Wer bezahlt die Verbesserungen?

Um die neuen Leistungen für Pflegebedürftige zu finanzieren, müssen alle höhere Beiträge bezahlen. Der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung steigt erneut, zum 1. Januar um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent. Wer keine Kinder hat, muss sogar 2,8 Prozent seines monatlichen Bruttoeinkommens einzahlen. Das bringt Mehreinnahmen von rund 2,7 Milliarden Euro.