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Emily-Prozess Vier Jahre Haft für die Stiefmutter

Emilys Stiefmutter muss für vier Jahre hinter Gitter. Sie soll das Mädchen durch Schütteln tödlich verletzt haben.

Von Wolfgang Biermann 30.09.2015, 17:44

Stendal l Im Prozess um den Tod der kleinen Emily aus Bismark im Landkreis Stendal hat das Landgericht Stendal am Mittwoch überraschend die Urteile gesprochen. Die Richter sind überzeugt, dass Katja B., die 20-jährige Ziehmutter und damalige Lebensgefährtin des leiblichen Vaters von Emily, der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig ist und sie als Heranwachsende nach Jugendstrafrecht zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der Prozess hatte am 27. Juli begonnen.

Emilys Vater Patrick F. ist nach Auffassung des Gerichts der vorsätzlichen Körperverletzung durch Unterlassen schuldig. Der vielfach vorbestrafte F. ist dafür zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und die Strafe für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden.

Die Jugendkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler sah es als erwiesen an, dass Katja B. das Mädchen am Morgen des 2. Februar derart heftig geschüttelt hat, dass die 18 Monate alte Emily schwere Hirnverletzungen davontrug, die letztendlich tödlich waren.

Die Ärzte der Universitätsklinik Magdeburg hatten nach tagelangem erfolglosen Ringen um das Leben von Emily und dem Feststellen des Hirntodes die lebenserhaltenden Maschinen am 6. Februar abgeschaltet. Für Katja B. spreche, dass sie spätestens seit Dezember 2014 mit der familiären Situation überfordert gewesen sei. Als schuldmindernd nannte Richter Galler ohne Nennung von Details eine gebrochene Biografie und gutachterlich bestätigte Reifeverzögerungen der Angeklagten. Gegen sie spreche vor allem die Schwere der Tat. Es habe zunächst „kleine Gewaltausbrüche gegeben, die im tödlichen Schütteln Anfang Februar kulminierten“.

Das Urteil in diesem Indizienprozess basiert vor allem auf den Gutachten der Sachverständigen für Rechtsmedizin und Neuropathologie. Demnach haben die Gutachten „eindeutig ergeben, dass derartige Verletzungen nur passieren, wenn man Kinder heftig schüttelt“. Durch ihre Mutter als Zeugin hatte die Angeklagte am 10. September im Prozess überraschend ins Spiel bringen lassen, dass sie aus einer Notlage heraus Emily geschüttelt hätte, weil diese etwas verschluckt haben sollte.

Diese Version passe aber nicht zu Emilys Verletzungen, erklärten Rechtsmediziner Knut Brandstädter und Neuropathologe Christian Mawrin übereinstimmend. In das Urteil gegen Katja B. flossen eine weitere vorsätzliche Körperverletzung, begangen an Emily Anfang Januar, sowie Urkundenfälschung und falsche Verdächtigungen gegen den Kindesvater Patrick F. ein. Aus der U-Haft habe Katja B. der Staatsanwaltschaft Briefe zugespielt, in denen sich Patrick F. der Täterschaft und eine Belastungszeugin der Falschaussage bezichtigt. Das Gericht ist davon überzeugt, dass Katja B. Verfasserin oder Urheberin dieser Briefe ist, die die Verfolgung von Unschuldigen in die Gänge leiten sollten.

Als alleiniger Erziehungsberechtigter muss sich Patrick F. laut Urteil zurechnen lassen, zur Arbeit gefahren zu sein, „ohne sich zu kümmern“, obwohl er „hinreichend vorgewarnt gewesen“ sei. Eine Bismarker Ärztin hatte im Januar vier Fingerkuppen als Abdruck auf dem Gesicht von Emily diagnostiziert.

Und sowohl die vom Jugendamt beauftragte Familienhelferin also auch Kita-Erzieherinnen hatten ebenfalls im Januar blaue Flecken in Emilys Gesicht gesehen, die nicht vom Spielen mit Bauklötzen herrühren können und von denen F. gewusst haben müsse. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und Revision möglich.