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Flüchtlingspolitik Große Gruppe von Verunsicherten

Die Flüchtlingsdebatte liegt dem gebürtigen Senegalesen Karamba Diaby besonders am Herzen. Denn auch er musste seine Heimat verlassen.

12.10.2015, 13:14

Halle/Berlin (dpa) l Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle hält es angesichts der Flüchtlingsdebatten für unabdingbar, die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen.

Sie sind in Afrika geboren und aufgewachsen. Wie empfinden Sie die aktuelle Situation in Deutschland angesichts der Flüchtlingsdebatten?

Karamba Diaby: Ich habe den Eindruck, dass wir eine sehr stark mitfühlende Gesellschaft sind. In Bürgerbüros in Halle haben Leute spontan innerhalb von zwei Wochen 2400 Willkommenspäckchen abgegeben. Man darf aber nicht verkennen, dass es eine große Gruppe von Menschen gibt, die verunsichert sind. Die Sorgen und Ängste müssen wir unbedingt sehr erst nehmen, denn kein Mensch kann die Frage konkret beantworten, wie viele Flüchtlinge noch zu uns kommen werden. Fakt ist aber, kein Mensch verlässt seine Umgebung freiwillig. Auch ich bin in die DDR gekommen, weil für mich ein Studium im Senegal so nicht möglich war.

Heute sind Sie nun seit zwei Jahren Abgeordneter im Bundestag. Was brennt Ihnen bei dieser Arbeit besonders unter den Nägeln?

Das Flüchtlingsthema ist das Topthema. Ich arbeite in drei Ausschüssen im Bundestag, für Bildung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, und bürgerschaftliches Engagement. Gerade beschäftige ich mich sehr intensiv damit, dass die berufliche Qualifikation von Flüchtlingen schneller und unbürokratischer als bisher in Deutschland und der EU anerkannt und als vergleichbar mit einem von Menschen hierzulande erworbenen Berufsabschluss anerkannt wird – um bei Bedarf auch eine Zusatzqualifikation zu machen.

Und wie soll das Problem gelöst werden, zumal die Wirtschaft angesichts des demografischen Wandels Fachkräfte händeringend sucht?

Es muss uns gelingen, dass spätestens innerhalb von drei Monaten entschieden ist, ob die Qualifikation eines Flüchtlings mit der eines sogenannten Referenzberufs in Deutschland und Europa vergleichbar ist. Bei einer Krankenschwester dürfte das nicht schwierig sein, bei einem Beruf in der Industrie schon. Das große Problem ist, dass Flüchtlinge in der Regel kein Zertifikat von ihrem Berufsabschluss dabei haben, höchstens einen Ausweis. Viele Menschen mussten schnell ihre Heimat verlassen, um ihr Leben zu retten.

Wie hat sich Ihr Leben und das Ihrer Familie verändert seitdem Sie im Bundestag sind, wie sieht ihre persönliche Halbzeitbilanz aus?

Nun, ich bin 22 Wochen im Jahr im Bundestag, bin dann in Berlin von Montag bis Freitagabend. Ansonsten arbeite ich in meinem Wahlkreis, es gibt Klausuren, Tagungen, Seminare. Zur Halbzeit im Bundestag kann ich sagen, ich fühle mich mittendrin. Ich habe bei aller Arbeit auch dafür zu sorgen, dass die Balance zwischen Arbeit und Privatleben nicht verloren geht. Denn die Bürger erwarten, dass man als Politiker 24 Stunden funktioniert und alle Fragen beantworten kann. Das Recht haben sie. Meine Familie hat jetzt weniger von mir, das ist so. Und Freunde, die man früher spontan angerufen hat, um ein Bierchen zu trinken, sind leider rarer geworden.