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Rechnungshof Barthel: „Noch nicht über den Berg“

Sachsen-Anhalt will deutlich mehr Polizisten und Lehrer einstellen, doch bis 2020 fehlen 1,5 Milliarden Euro.

Von Jens Schmidt 11.03.2016, 00:01

Mehr Polizisten, mehr Lehrer – alle Parteien wollen deutlich draufsatteln. Herr Barthel, geht die Zeit der Sparsamkeit zu Ende?

Kay Barthel: Der Personalbedarf hat sich vor allem wegen der Flüchtlinge erhöht. Aber: Sparsam muss das Land dennoch wirtschaften. Denn Sachsen-Anhalt ist noch lange nicht über den Berg. Nach heutigem Stand klafft ab 2017 jedes Jahr eine Finanzierungslücke in dreistelliger Millionenhöhe. 2017 fehlen gut 230 Millionen Euro, 2020 schon mehr als 700 Millionen Euro. Über alle vier Jahre gesehen reden wir über mehr als 1,5 Milliarden Euro geplanter Ausgaben, die noch nicht gedeckt sind. Darin sind die zusätzlichen Personalwünsche noch gar nicht eingerechnet. Und eines dürfen wir auch nicht vergessen: Wir haben noch mehr als 20 Milliarden Euro alte Schulden.

Sind die Wünsche nach 1000 zusätzlichen Polizisten und mindestens 600 jungen Lehrern jährlich überhaupt realisierbar?

Das Personalentwicklungskonzept ist kein Dogma. Der Landtag kann Änderungen beschließen, er wird aber nicht umhinkommen, dafür an anderen Stellen einsparen zu müssen. Eine Polizistenstelle veranschlagen wir im Jahr mit 50 000 Euro, eine Lehrerstelle mit 60.000 Euro. Bei 1000 zusätzlichen Polizeistellen reden wir schon über 50 Millionen Euro zusätzlicher Personalausgaben im Jahr.

Lange hieß es: Das Land verwaltet sich zu teuer. Gilt das noch?

Daran hat sich nichts geändert. Wir haben zum Beispiel die vierthöchste Polizeidichte. Auf einen Polizisten kommen bei uns 356 Einwohner – im ebenfalls recht dünn besiedelten Schleswig-Holstein sind es 434. Bei den Lehrern haben wir nach Thüringen sogar die beste Personalausstattung aller Flächenländer. Der Landtag wird nicht umhinkommen, auch über Schulgrößen, Klassengrößen und längere Arbeitszeiten für Lehrer zu reden.

Als Vergleich gilt immer die durchschnittliche Personalausstattung im Westen. Aber auch dort wird man angesichts der Flüchtlinge draufsatteln. Zudem ist der Altersdurchschnitt bei unserer Lehrerschaft sehr hoch und die Einwohnerdichte gering. Stimmen die Vergleichsmaßstäbe noch?

Sicherlich werden auch die Westländer mehr einstellen. Bislang wurden für die Landesbediensteten 18 Vollzeitstellen je 1000 Einwohner angepeilt – das ist das westdeutsche Mittel, das sicherlich steigen wird. Auch Alter und Besiedlungsdichte spielen eine Rolle. Aber: Sachsen-Anhalt hat mit 20 Vollzeitstellen je 1000 Einwohner immer noch die höchste Personalausstattung aller Flächenländer. Dabei darf es nach Ansicht des Rechnungshofes nicht bleiben. Eine weitere Reduzierung der Stellenzahl ist weiterhin notwendig. Das Instrument des Personalentwicklungskonzepts, das bundesweit nahezu einmalig ist, muss unserer Ansicht nach beibehalten werden. Der derzeit von vielen Parteien angepeilte Mehrbedarf ist nur zum Teil wegen der hohen Flüchtlingszahlen sachlich begründet – zum größeren Teil erscheint er uns politisch motiviert. Jedenfalls liegen noch keine am tatsächlichen Bedarf orientierenden Untersuchungen und Berechnungen vor.

Ist es angesichts der Flüchtlingskrise ratsam, jetzt auch noch Kredite zu tilgen und zudem Rücklagen anzusparen?

An der Tilgung darf nicht gerüttelt werden. Damit die Pro-Kopf-Verschuldung nicht weiter steigt, müsste die Tilgungsleistung sogar auf mindestens 200 Millionen Euro jährlich erhöht werden. Die Steuerschwankungsreserve darf das Land nur in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise antasten – doch die haben wir nicht. Die Einzahlungen in den Pensionsfonds zu stoppen, wäre auch riskant, dieser muss jetzt wachsen, damit wir die Lasten in Zukunft schultern können. Und neue Schulden, also eine Nettokreditaufnahme, darf es keinesfalls geben. Wir sehen also nur geringe Spielräume. Helfen werden uns die niedrigen Zinsen. Durch die Anlagenpolitik im Finanzministerium haben wir an dieser Front mittelfristig Ruhe.

Erwarten Sie nach der Bundestagswahl 2017 Steuererhöhungen?

Das ist eine politische Entscheidung. In Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen aber die Steuersätze noch zu erhöhen, dürfte äußerst schwierig zu vermitteln sein.