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Beraterverträge Grüne machen Druck: „Es ist genug“

Nach einem Bericht über einen Beratervertrag fordern die Grünen Aufklärung. Ex-Justizstaatssekretär Thomas Wünsch räumt Fehler ein.

Von Michael Bock 09.09.2016, 01:01

Magdeburg l Die Botschaft des Finanzausschuss-Vorsitzenden im Landtag, Olaf Meister, war eindeutig: „Es ist genug. Die Haushaltshoheit liegt beim Landtag. Daher sind seine Beschlüsse zu beachten und umzusetzen. Umgehungen sind nicht hinzunehmen.“

Das Land hatte am 9. Dezember 2015 einen Vertrag (Laufzeit: 2016 bis 2022) über 1,952 Millionen Euro mit der „Wanzek Consult“ (Magdeburg) abgeschlossen. Auftraggeber war das seinerzeit von Angela Kolb-Janssen (SPD) geführte Ministerium für Justiz und Gleichstellung. Dieses ließ sich durch das Landesverwaltungsamt vertreten. Aufgabe der „Wanzek Consult“ ist die „Umsetzung von Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter-Gender Mainstreaming“.

Nach geltenden Landtagsbeschlüssen hätte der Vertrag vor Unterzeichnung der Staatssekretärskonferenz und dem Finanzausschuss des Landtags vorgelegt werden müssen. Die neue Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) sagte der Volksstimme am Donnerstag: „Das notwendige, der Transparenz dienende Verfahren ist nicht eingehalten worden.“ Ex-Ministerin Kolb-Janssen hatte am Mittwoch erklärt, der Vorgang sei ihr „im Moment nicht erinnerlich“. Der damalige Justizstaatssekretär Thomas Wünsch (SPD), heute in gleicher Funktion im Wirtschaftsministerium tätig, sagte am Donnerstag: „Ich erinnere mich an den Vorgang. Es galt eine Forderung der EU-Förderrichtlinie umzusetzen. Damit waren die Stabsstelle für Frauen- und Gleichstellungspolitik, das EU-Verwaltungsreferat im Justizministerium und das Landesverwaltungsamt befasst. Über Arbeitsschritte wurde ich informiert. Ich kann mich aber nicht mehr an Details erinnern. Dazu müsste ich in die Akten schauen, die mir nicht vorliegen.“ Und weiter: „Für mich handelte es sich um einen Verwaltungsvorgang. Es galt – wie gesagt – eine Vorgabe mit aller Sorgfalt umzusetzen.“ Zugleich räumte er Fehler ein: „Darüber hätte man auch die Staatssekretärskonferenz und den Landtag informieren sollen.“

Keding bestätigte Volksstimme-Informationen, wonach für den Millionen-Auftrag nur ein Angebot abgegeben wurde. Für Verwunderung hatte im Justizministerium auch gesorgt, dass das Honorar nach nur einem Gespräch den Vorstellungen der Auftragnehmerin entsprechend festgelegt wurde – und so um etwa 30 Prozent über der zunächst kalkulierten Höhe. Ex-Justizstaatssekretär Wünsch sagte der Volksstimme dazu, das habe er erst jetzt aus der Presse erfahren.

Die Grünen werden am 14. September einen Antrag in den Finanzausschuss einbringen. Olaf Meister: „Es sollen die Umstände der Vergabe von 1,9 Millionen Euro geklärt werden. Zugleich soll geprüft werden, ob weitere Vorgänge zu beanstanden sind.“ Die Grünen verlangen zudem „eine komplette Aufstellung aller Beraterverträge seit 2011, ihren Zweck und ihre haushaltsrechtliche Legitimierung“.

AfD-Finanzpolitiker Robert Farle sagte: „Es ist ein beispielloser Affront gegen Sachsen-Anhalts parlamentarische Demokratie, dass offensichtlich wiederholt Finanzmittel in Millionenhöhe von Landesministerien selbstherrlich und unter Umgehung des Landtags vergeben wurden.“ Es komme erschwerend hinzu, „dass es ausgerechnet die damalige Justizministerin gewesen sein soll, die sich nicht an Recht und Gesetz gehalten hat“. Farle: „Zusätzlich hat diese Sache einen verdächtigen Beigeschmack, weil Frau Kolb-Janssen und Frau Wanzek sich aus der Gremienarbeit im Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e.V. gut kennen. Mir drängt sich da der Eindruck einer gewissen Selbstbedienungsmentalität auf.“

Kolb-Janssen und Ute Wanzek, Inhaberin der „Wanzek Consult“, sind Fördermitglieder des Landesfrauenrates.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Stefan Gebhardt, sagte der Volksstimme: „Es verfestigt sich der Eindruck, dass die komplette ehemalige Landesregierung skandalös mit Beraterverträgen umgegangen ist. Es wurde konsequent am Parlament vorbei agiert. Das sind keine Einzelfälle. Wir brauchen eine tiefgreifende Aufklärung.“

CDU-Finanzpolitiker Guido Heuer sagte: „Sollten sich die Vorwürfe gegen die ehemalige Justizministerin bewahrheiten, geht die CDU-Landtagsfraktion von einer lückenlosen Aufklärung aus. Wir erwarten, dass die ehemalige Ministerin und jetzige Landtagsabgeordnete ihr Erinnerungsvermögen über einen Vorgang aus Dezember 2015 kurzfristig zurückerlangt und eine Transparenzoffensive startet, wie wir sie bei Minister Felgner eingefordert haben.“

SPD-Fraktionschefin Katja Pähle erklärte: „„Die SPD-Landtagsfraktion hat dasselbe Interesse wie alle Fraktionen, dass die Landtagsbeschlüsse zur Transparenz von Beraterverträgen konsequent angewandt werden. Offensichtlich ist auch die Landesregierung zu der Einsicht gelangt, dass dem Finanzausschuss lieber ein Vertrag zu viel als einer zu wenig vorgelegt werden sollte. Wir gehen davon aus, dass das alle Ressorts künftig so halten werden.“