1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Kommunen gegen Kita-Entmachtung

Dauerstreit Kommunen gegen Kita-Entmachtung

Bürgermeister in Sachsen-Anhalt wollen die Zuständigkeiten für Kitas zurück. Der Fall wird vor dem höchsten Gericht in Karlsruhe verhandelt.

12.04.2017, 15:28

Karlsruhe l Nächste Runde im Dauerstreit um das Kinderförderungsgesetz: Nachdem Sachsen-Anhalts Städte und Gemeinden 2015 vor dem Landesverfassungsgericht erfolglos gegen ihre Kita-Entmachtung geklagt haben, wehren sie sich nun vor dem höchsten deutschen Gericht. Am Mittwoch trugen acht Bürgermeister vor dem Bundesverfassungsgericht ihre Argumente vor.

Der Disput hat eine lange Vorgeschichte. Im August 2013 hat das Land die Kita-Zuständigkeiten verändert. Waren früher die Gemeinden für die Einrichtungen verantwortlich, sind es nun die Landkreise. Das Ziel der damaligen schwarz-roten Landesregierung: Kinderförderung aus einem Guss. Denn damals sei jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt von Armut betroffen gewesen, sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) vor Gericht. „Kein Kind soll verloren gehen“, war die Maxime und deswegen habe man verstärkt auf frühkindliche Bildung gesetzt und die Aufgabe an die Kreise gegeben, wo auch die Jugendämter angesiedelt sind. Diese könnten laut Grimm-Benne nicht nur die Einhaltung der Kita-Qualitätsstandards besser überwachen, sondern auch mit ihren Erziehungshilfeexperten Unterstützung leisten. Für die Eltern habe das neue Modell ebenfalls Vorteile: Die Landkreise hätten einen besseren Überblick über die Vergabe der Plätze und könnten Probleme so besser lösen, sagte die Ministerin.

Diese Argumentation ärgert die Bürgermeister. Sie fühlen sich vom Land „entmündigt“ und sehen ihr grundgesetzlich garantiertes Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt.Den Städten und Gemeinden dürfen nicht ohne Weiteres Aufgaben entzogen werden. Ein Vernetzungsgedanke rechtfertige die „Hochzonung“ auf die Landkreise nicht, kritisierten die Stadtchefs. „Wir haben diese Aufgabe über Jahre hinweg gut gemeistert“, sagte der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD). Die Änderung habe einen höheren Verwaltungsaufwand und damit auch höhere Kosten zur Folge. Denn nun müssen die Eltern ihren Anspruch auf einen Kita-Platz gegenüber dem Jugendamt geltend machen. „Bei uns fahren sie von Zerbst 50 Kilometer nach Köthen zum Landratsamt – und dort fragen die Mitarbeiter bei uns wieder an, wo es noch freie Plätze gibt. Das ist schwer vermittelbar“, sagte Dittmann. Die Gemeinde müsse für solche Fragen der Ansprechpartner für die Eltern sein. Vor Ort könne am besten beurteilt werden, welche Kitas gebraucht würden und wo ein Kind gut aufgehoben sei.

„Kurze Beine brauchen kurze Wege“, argumentierte auch der Prozessbevollmächtigte der Kommunen, Johannes Dietlein. Den Gemeinden werde mit der „Fernsteuerung“ der Einfluss auf den Standortfaktor Kita im Wettbewerb um junge Familien entzogen, kritisierte er.

Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle erklärte zu Beginn, es sei schon einige Jahre her, dass man eine Kommunalverfassungsbeschwerde öffentlich verhandelt habe. „Schon daher gebührt dem Fall Aufmerksamkeit, denn die Selbstverwaltungsgarantie gehört zu den Eckpfeilern unserer Verfassungsordnung“, sagte Voßkuhle. Das Urteil, mit dem in einigen Monaten zu rechnen ist, könnte bundesweit neue Standards setzen, in welchen Fällen kommunale Aufgaben auf die Landkreise verlagert werden dürfen.