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Gerichtsprozess Mann soll eigenen Säugling getötet haben

2014 soll ein Mann seinen sieben Wochen alten Sohn getötet haben. Nun muss er sich vor dem Gericht in Dessau verantworten.

Von Bernd Kaufholz 09.01.2018, 08:49

Dessau-Roßlau l Als Rettungssanitäter und Notarzt am Mittag des 7. Januar 2014 in die Wohnung von Familie R. kommen, liegt der kleine Noël bewegungslos auf einer Matte vor der Badewanne. Obwohl dem Säugling Adrenalin ins Mark des Schienbeins injiziert wird und der Arzt ihm Stromstöße verabreicht, beginnt das Kinderherz nicht wieder zu schlagen. Um 13.40 Uhr wird der Tod festgestellt.

Die Obduktion ergibt später, dass Noël durch schwere stumpfe Gewalt gestorben ist. Das Gutachten spricht von alten und neuen Rippenbrüchen, Hirnblutung und dreifachem Schädelbruch. Die Todesursache selbst dürfte ein sogenanntes Schütteltrauma mit Überdehnung des Halses und daraus entstandenem Nervenschaden gewesen sein: Herz- Kreislauf-Stillstand.

Als Staatsanwältin Manuela Naujok am Dienstag die Anklage verliest, schüttelt Mario R. mehrfach den Kopf und schaut dabei auf die Tischplatte. Dann stellt er sich knapp zwei Stunden den Fragen der Prozessbeteiligten. Dabei versucht sich der Arbeitslose ins beste Licht zu rücken und sagt, dass er überhaupt nicht verstehen könne, wie es zu dem „Unfall“ kommen konnte.

„Morgens habe ich Noël gefüttert und gewindelt. Dann habe ich mich mit ihm auf die Couch gelegt, und wir sind beide wieder eingeschlafen.“ Gegen 12 Uhr habe ihn der große Sohn, Leon (damals zweieinhalb Jahre alt) mit Rufen aus dem Kinderzimmer geweckt. „Da habe ich gemerkt, dass sich Noël nicht mehr regt. Ich bin mit ihm ins Badezimmer gelaufen und habe ihm Wasser ins Gesicht gespritzt.“ Das habe bei Leon schon mal gewirkt, als dieser ebenfalls einen Atemstillstand gehabt habe.

Doch bei Noël habe das nicht geklappt. Auch nicht die Mund-zu-Mund-Beatmung und die Herzdruckmassage („wie ich es im Fernsehen gesehen habe“). „Ich habe dann meine Frau gerufen, die noch geschlafen hat, und die hat den Notruf gewählt.

Ich würde meinen Kindern nie etwas antun“, beteuert der 39-Jährige. Inzwischen hat die Familie erneut Nachwuchs bekommen – Sohn Sanjay ist eineinhalb Jahre alt. „Ich finde es sowieso zum Kotzen, dass ich hier sitze“, sagt R. der Vorsitzenden Richterin Uda Schmidt.

Er räumte ein, pro Tag bis zu zehn halbe Liter Bier zu trinken und mehrfach therapiert worden zu sein. Seine Frau, die im Babyjahr sei, kiffe gelegentlich, beschreibt er die häusliche Szene. Annemarie R. sollte  bereits ám Dienstag als Zeugin aussagen. Aber aufgrund der langen Einlassung ihres Ehemannes wird sie erst am Mittwoch gehört.

Die Zeugen am ersten Prozesstag schilderten, dass sich die Eltern im Angesicht des toten Babys „ungewöhnlich verhalten“ hätten. Lediglich der Angeklagte habe noch so etwas wie Anteilnahme gezeigt. Aber nachgefragt, wie es in ähnlichen Fällen üblich ist, woran das Kind starb, hätten beide nicht, so der Notarzt.

Warum Mario R. in diesem Indizienprozess ohne objektive Tatzeugen auf der Anklagebank sitzt, erklärt Strafverteidiger Klaus Rumph damit, dass sein Mandant immer wieder betont habe, dass er sich um die Kinder gekümmert habe. Dadurch sei er ins Visier der Ermittler geraten. Welche Rolle die Mutter beim rätselhaften Tod von Baby Noël gespielt hat, ist noch nicht klar. Mit dem Urteil wird am 31. Januar gerechnet.