1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Neue Zahlen, neue Fragen

Gutachteritis  Neue Zahlen, neue Fragen

Ist in Sachsen-Anhalt bei der Vergabe von Beraterverträgen alles sauber gelaufen? Die Staatskanzlei hat Zahlen offengelegt. Fragen bleiben.

Von Michael Bock 11.07.2016, 01:01

Magdeburg l Aus der Berater-Datenbank des Landes geht hervor, dass Ministerien und ihnen nachgeordnete Behörden zwischen 2010 und 2015 insgesamt 152 Beraterverträge, Gutachten und Studien in Auftrag gegeben haben. Das Gesamtvolumen beträgt den Unterlagen zufolge 22,4 Millionen Euro. Pikant: Von den Aufträgen wurde der Liste zufolge jeder dritte freihändig vergeben, zu mehr als 60 wurden gar keine Angaben gemacht. Die Staatskanzlei pflegt die Datenbank. Wer genau für welche Leistung was erhalten hat, will die Staatskanzlei nicht sagen – Geschäftsgeheimnis.

Hintergrund: Die Staatssekretärsrunde muss über Berater- und Gutachterleistungen ab einem Volumen von 5000 Euro (ohne Umsatzsteuer) unterrichtet werden. Wie genau der Auftrag vergeben wird, ist Sache der einzelnen Ministerien. Laut Staatskanzlei erfolgt „keine über das übliche Maß hinausgehende Kontrolle der Umsetzung der Verfahren“. Ab einem Volumen von 20 000 Euro muss der Finanzausschuss des Landtags informiert werden.

Derzeit kursiert in den Ministerien ein bislang unveröffentlichtes brisantes Papier des Landesrechnungshofes. Die Prüfer haben stichprobenartig Beraterverträge, Studien und Gutachten aus den Jahren 2010 bis 2013 unter die Lupe genommen. Dabei prüften die obersten Kontrolleure sogar 360 Berater- und Gutachterleistungen mit einem Gesamtvolumen von 24,9 Millionen Euro. Also deutlich mehr, als in der Datenbank der Staatskanzlei hinterlegt sind.

Die Staatskanzlei begründet dies damit, dass der Rechnungshof auch „sonstige personenbezogene Dienstleistungen“ überprüft habe. Dazu gehören weitere Leistungen, die an externe Dritte vergeben wurden – etwa Forschungsaufträge, Expertisen und Evaluierungen.

Die Rechnungshof-Recherchen ergeben, dass die Vergabepraxis noch laxer war, als es die Fakten aus der Datenbank hergeben. Demnach wurden sogar 70 Prozent der Gutachten freihändig und oft am Parlament vorbei vergeben. Vielfach sei gar nicht ermittelt worden, ob die Leistung nicht auch im eigenen Haus hätte erbracht werden können. Voraussichtlich am 19. August befasst sich der Finanzausschuss mit den Beraterverträgen. Diesem Gremium legt die Regierung einen jährlichen Bericht zur Transparenz von Verträgen vor. Das ist eine Konsequenz aus einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der schon Mitte der 2000er Jahre viel Kritik an der Vergabepraxis geübt hatte.

Der aktuellste Bericht (14. März 2016) wirft neue Fragen auf. Darin werden zwei Vergaben am Finanzausschuss vorbei eingeräumt. Verantwortlich: das Kultusministerium. Dabei ging es um eine Studie zum „Nichtwählermonitor Sachsen-Anhalt“ und um deren Auswertung. Gesamtvolumen: 74 072 Euro.