1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Mit Techno zum Weltfrieden

Loveparade Mit Techno zum Weltfrieden

Love-Parade-Erfinder Dr. Motte spricht über den Ursprung der Technobewegung, die Drogen der 90er und das tragische Ende der Love-Parade.

22.02.2017, 01:00

Volksstimme: In einem Buch über die 1990er schrieb die Journalistin Su Holder: „Meine Love-Parade, 1994: Noch nie so viele Menschen auf einem Fleck gesehen. Und alle verrückt." Damit hat man die Love-Parade doch gut in einem Satz erklärt, oder?

Dr. Motte: Naja, jeder hat ja seine eigene Definition von dem, was er erlebt. Das ist die persönliche Erfahrung eines jeden Einzelnen.

Und was war die Love-Parade für Sie?

Für mich war das erstmal eine Idee, die mir im Kopf herumschwirrte, seit ich Geschichten von Freunden aus England gehört hatte, dass es in London so viele Underground-Partys gibt. Das waren Partys, bei denen am Ende die Polizei kam, die die Party beendete und die Technik einkassierte. Aber irgendjemand hatte einen Ghetto-Blaster dabei, und dann ging die Party einfach auf der Straße weiter. Das fand ich als Bild so toll, dass ich mir immer überlegte: Wie kriegt man das nach Berlin?

Kritiker haben damals moniert, das Politische an der Love-Parade sei vorgeschoben, damit Sie als Veranstalter nicht die Kosten, unter anderem für die Müllentsorgung, zahlen müssen. Was war für Sie daran politisch?

Ich hatte die Vision, dass sich diese Veranstaltung jährlich wiederholt und dass andere inspiriert werden, es uns gleich zu tun. Und dass dadurch noch mehr Menschen auf diesem Planeten tanzenderweise auf der Straße sind und dadurch alle Freunde werden. Und wenn wir alle Freunde sind, dann gibt es den Weltfrieden. Das war meine Vision – der Weltfrieden.

Die Love-Parade war also eine Friedensbewegung?

Dazu kann ich meinen Kumpel Westbam zitieren, der gesagt hat: Eigentlich hättest du das Bundesverdienstkreuz am Band verdient. Wir haben ja etwas geschaffen, was es so bisher im Sinne der Völkerverständigung nicht gegeben hat. Aus vielen Nationen sind die Menschen in Berlin auf die Straße gekommen, um zu tanzen.

Der Generation Techno eilte der Ruf voraus: Die nehmen doch alle Drogen. War das tatsächlich so?

Wenn ich mir vorstelle, wie viele Menschen pro Tag an Alkohol sterben, und dann sagt man, das war damals eine Drogenkultur, dann sage ich: Ja, stimmt. Die Deutschen haben eine Drogenkultur. Eine Alkoholdrogenkultur.

Ecstasy wurde aber vorrangig mit der Rave-und Techno-Musik in Verbindung gebracht, Alkohol nicht.

Genau. Auf der Love-Parade ist niemand an Ecstasy gestorben. An Alkohol sterben die Leute schon seit Jahrhunderten. Und wenn man sich dann mal anschaut, wie friedlich die Leute auf der Love-Parade waren, wie viel Empathie sie mitbrachten und Mitgefühl für andere, das schafft Alkohol nicht.

Sprechen Sie sich gerade für den Konsum von Ecstasy aus?

Nein, das ist nur eine Feststellung.

Haben Sie denn Ecstasy genommen?

Ich bin ein erwachsener Mensch. Und ich kann sehr gut entscheiden, was ich tue und was ich lasse. Wir haben uns mit den Hilfsdiensten, die bei der Love-Parade bereitstanden, ausgetauscht, wie viele Personen mit welchen Symptomen behandelt wurden. Das meiste war Kreislauf und Austrocknung. Drogenkonsum war im Vergleich dazu eine verschwindend geringe Anzahl.

Nochmal die Frage: Haben Sie’s genommen?

Ich habe es schon gesagt. Ich bin ein erwachsener Mensch und ich weiß alleine, was ich tue, und bin alleine für mich verantwortlich.

Aber wie geht man denn als Veranstalter damit um, wenn man weiß, vor einem stehen anderthalb Millionen junge Menschen, und ein Großteil von denen hat sich mit Ecstasy versorgt?

Auch das waren erwachsene Menschen, die ihre Entscheidungen für sich selbst treffen. Jede Musikkultur hat ihre Drogen.

Das macht’s ja nicht besser ...

Love-Parade 2010. Das war das Ende der Love-Parade. Und an diesem Ende waren nicht die Drogen schuld.

Apropos Duisburg. Welche Folgen hat denn diese Katastrophe für die Szene?

Das war ein totaler Schock. Da sind bei allen Veranstaltern die Alarmglocken angegangen, viele Festivals mussten abgesagt werden, weil die Sicherheitsbestimmungen neu definiert werden mussten. Die Auflagen jetzt sind teilweise kaum noch finanzierbar. Aber diese Angst, dass wieder sowas Schlimmes passiert wie in Duisburg, die ist tief verwurzelt.

Ihr Kollege Westbam hat bereits seine Biografie herausgegeben. Wann kommt Ihre?

Also geplant ist es. Aber mehr noch nicht.