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Work and travel Mit „Vincent“ ins Niemandsland

Seit sechs Wochen zurück in Tangerhütte: Lisa Krüger hat für ein Jahr Australien per „Work and Travel“ bereist. Hier berichtet sie.

Von Lisa Krüger 28.06.2016, 23:01

Tangerhütte l Juni 2016 – ein Jahr „Work and Travel“ liegt hinter mir und viele Leute fragen mich: „Hey Lisa, wie war es in Australien?“ Was soll ich darauf antworten? Wie soll ich in den folgenden 30 Sekunden Smalltalk all meine gesehenen Orte, meine Eindrücke, Erlebnisse, Erfahrungen, 4000 Fotos und 400 Seiten Tagebuch aussagekräftig rüberbringen, mit denen ich ohne Weiteres Abende füllen könnte? Das geht beim besten Willen nicht.

Aber was genau bleibt mir denn nach so einem Jahr? Worüber werde ich noch in zehn Jahren Alltagsanekdoten erzählen und was könnte ich anderen mit auf den Weg geben? Zuallererst ist es so, dass ich die Reise nicht allein bestritten habe. Zusammen mit meinem Freund stemmte ich die Herausforderung, 24/7 für ein Jahr am anderen Ende der Welt zu leben.

Einer der unvergesslichen Fakten ist unser gelber Mitsubishi Delica, liebevoll Vincent getauft. Für die nächsten 27 .777 Kilometer war er nicht nur unser Allrad-Van. Er war gleichzeitig unser Schlaf- und Wohnzimmer, Küche, Badezimmer, Waschküche und auch Abstellraum auf unschlagbaren fünf Metern Länge und eineinhalb Metern Breite.

Mit und wegen ihm haben wir, mit spritsparenden 80 km/h, die schönsten Orte Australiens gesehen. Unsere Route ging von Perth, Western Australia, über den wunderbaren Karijini-Nationalpark bis hin nach Darwin, Northern Territory. Von hier aus fuhren wir, durch den beeindruckenden Kakadu-Nationalpark, ab zur Mitte des gewaltigen Kontinents, genauer gesagt zum Ayers Rock.

Danach folgten 1500 Kilometer Outback, Niemandsland, in Richtung Cairns, Queensland. An der Ostküste ging es südlich weiter über Brisbane und Canberra nach Melbourne, Victoria. Entlang der Great Ocean Road fuhren wir bis nach Adeleide, South Australia. Abschließend reisten wir querfeldein, zu unserem letzten Ziel Sydney in New South Wales.

Es waren viele, unzählige Autostunden, mit Weiten, die sich ein Europäer einfach nicht vorstellen kann. Kein Wunder, dass ich es geschafft habe, erneut die komplette Harry-Potter-Reihe zu lesen, auf Englisch natürlich. So komme ich auch gleich zum nächsten Thema – let‘s speak a little bit English. Just for a second. Knapp 27.000 deutsche „Backpacker“ sollen Australien jährlich bereisen. Davon sind gefühlt 80 Prozent Abiturienten der alten Bundesländer – Australien hat sich als neues Bundesland geoutet. Es scheint kaum mehr nötig zu sein, überhaupt Englisch zu sprechen. Was kann man nicht auch alles mit Händen und Füßen ausdrücken. Selbst die Arbeitsfindung war ohne perfektes Englisch kein Problem.

Zumindest wenn man sich, wie wir, auf Farmen konzentriert hat. 22 Wochen haben wir insgesamt mit Farmarbeit verbracht. Die erwähnenswertesten und lukrativsten waren eine kleine Avocadofarm in Western Australia und eine Honigmelonenfarm in Queensland. Auf der Avocadofarm gab es 1300 Bäume, die Früchte wurden jedes Jahr von drei Backpackern mit großen Plattformen gepflückt und verpackt. Die Bezahlung ging hier nach Kilopreis und gepackten Kisten. Auf der Honigmelonenfarm war ich im Verpackungslager, dem sogenannten „Shed“. Hier habe ich bei einem festgesetzten Mindestlohn von umgerechnet rund 15 Euro die Stunde Melonen nach Größe in Kisten sortiert. Mit diesen Tätigkeiten war es uns möglich, sowohl die ganze Reise zu finanzieren als auch unser mitgebrachtes, deutsches Geld fast unberührt zu lassen.

Was definitiv in Erinnerung bleibt, sind die großartigen Australier selbst. Ich habe noch nie Menschen getroffen, die Fremde so herzlich aufnehmen wie die Aussies. Da ist es selbstverständlich, dass man sich mit dem Vornamen anspricht und sich sogar der Kassierer für deine Reiseroute interessiert. Ein Ereignis möchte ich hervorheben: Bei einem Ausflug zu einem Wasserfall in Queensland haben wir uns mit jungen Australiern unterhalten. Nach etwa zehn Minuten wurden wir zu ihrem Barbeque eingeladen und haben bis heute noch Kontakt.

Außerdem haben wir nicht nur Australien besucht. Bereits beim Hinflug legten wir einen dreitägigen Stopover in Hongkong ein. Und wir haben uns, wie viele Backpacker, vom schweren australischen Leben erholt und sind für zwei Wochen nach Bali, also Indonesien geflogen. Zum Abschied waren wir auf den Spuren von Bilbo und Frodo Beutlin auf der Nordinsel Neuseelands unterwegs.

Zu guter Letzt bleibt zu sagen, was ich auch jenen sage, die mich fragen: Ich habe viel gesehen, viele Eindrücke gewonnen und viele Erfahrungen gesammelt und möchte diese auch nie wieder missen.