1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Von Starallüren und der Kusszulage

Komparsin Von Starallüren und der Kusszulage

Angela Peltner läuft bei „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ und anderen Filmen durchs Bild. Sie erzählt von der Arbeit als Komparsin.

Von Elisa Sowieja 29.11.2016, 00:01

Sie sind regelmäßig bei den Drehs für „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ dabei. Da wissen Ihre Freunde wohl immer bestens über die nächste Intrige von Fiesling Joe Gerner Bescheid.

Angela Peltner: Ehrlich gesagt nicht. Ich darf leider niemandem sagen, was als nächstes passiert. Wir müssen sogar unsere Drehbücher vor Ort schreddern. Aber davon abgesehen, schauen die meisten meiner Freunde die Serie gar nicht, die haben nicht mal einen Fernseher, genauso wie ich.

Dafür schauen sie im Schnitt 2,7 Millionen andere. Wie oft werden Sie auf Ihre Rolle als „Mauerwerk“-Kellnerin Maria angesprochen?

Ich werde zwar oft angesprochen, aber lustigerweise können mich die Leute nicht zuordnen. Sie sagen dann Dinge wie: „Ich kenn dich irgendwoher. Sind wir letzte Woche zusammen nach München geflogen?“

Wenn der Groschen fällt, bringt der Job dann Vorteile?

Auf jeden Fall! Ich habe in Berlin alle meine Wohnungen darüber bekommen. Maklerinnen lieben GZSZ.

Sie haben auch schon viele andere Rollen gespielt – welche am häufigsten?

In den ersten Jahren hatte ich echt ein Abo auf die Krankenschwester. Denn ich habe früher mal in einer Arztpraxis in Magdeburg am Breiten Weg gearbeitet. Und auch wenn oft fast nichts an Filmen stimmt, lieben Regisseure authentische Leute vor der Kamera.

Wie, es stimmt fast nichts?

Nehmen wir das Beispiel Krankenhaus: Ein Patientenzimmer ist oft nur eine Pappmascheewand mit einem Bett und einem Defibrillator davor. Und die Krankenschwester macht Dinge wie den Gang entlanglaufen mit einem Klemmbrett, auf dem eine Mullbinde liegt. Macht ja so erstmal keinen Sinn.

Durften Sie auch schon als Leiche brillieren?

Ich war mal eine erschlagene Immobilienmaklerin. Vorher hatte ich sogar zu Hause geübt, die Augen nicht zu bewegen. Aber wenn du halbnackt im Gestrüpp liegst, dir kalt ist, ständig irgendwas zwickt, das Kunstblut über dein Gesicht läuft und du dir denkst: Wer weiß, wer hier schon hingepullert hat – dann sind zwei Minuten ohne zu blinzeln schon sehr lang.

Wie sind Sie überhaupt Komparsin geworden?

Neben dem Studium habe ich viele Jobs ausprobiert – gekellnert, Klamotten verkauft, Umfragen gemacht. Aber ich brauchte etwas Flexibleres. Da war Komparserie perfekt. Also habe ich mich bei Agenturen vorgestellt. Man wird dort fotografiert und muss einen Fragebogen ausfüllen: Hast du ein Auto? Welche Garderobe besitzt du? Könntest du zu Drehs einen Hund mitbringen? Sie wollen wissen, welche Talente du hast, was du von Beruf bist.

Was sind Ihre Kollegen denn so von Beruf?

In der Komparserie gibt es viele Rentner. Die haben immer Zeit. Ansonsten ist es ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Ich habe schon Schriftsteller, Opernsänger und Ärzte getroffen. Ein Exorzist war auch dabei – Fernando aus Mexiko.

Was muss man als Komparse mitbringen?

Du brauchst vor allem Zeit. 80 Prozent der Zeit, die ich bisher im Einsatz war, habe ich wartend auf einer Bierbank verbracht. Und wenn man Pech hat, wird draußen gedreht – inzwischen habe ich immer Thermounterhosen und Lammfellsohlen dabei.

Auch im Sommer?

Ja, kalt kann es immer werden. Ich habe mal im Hochsommer für eine Autowerbung gedreht. Da hatten die eine Regen- und eine Windmaschine aufgebaut und ich musste den ganzen Tag lang im strömenden Regen herumlaufen.

Das war vermutlich nicht Ihr einziger Horrordreh.

Der für „Zweiohrküken“ mit Til Schweiger war noch schlimmer, weil wir 14 Stunden lang in einem Club tanzen mussten – und zwar ohne Musik. Denn bei Drehs wird immer trocken getanzt, genau wie man auch in Gesprächen im Bildhintergrund nur die Lippen bewegt – das nennt man im Fachjargon „stumme Lippenbewegungen“. Das Schlimmste aber waren die Double-Jobs. Vor Fernsehshows werden oft mit Hilfe von Komparsen Licht und Ton eingestellt. Einmal musste ich erst mit einem „Dolly-Buster“-Schild um den Hals herumlaufen – ausgerechnet da kam mir mein Held Robbie Williams entgegen. Danach sollte ich als Weihnachtsgans die Treppe runterwatscheln. Das war erniedrigend.

Gibt‘s denn für diese Jobs wenigstens viel Schotter?

Man bekommt gerade mal den Mindestlohn, früher waren es sogar nur 55 Euro für zehneinhalb Stunden. Aber zumindest gibt es Zuschläge: Fahrradzulage, Sonntags- und Nachtzuschlag, Kusszulage, ...

Kusszulage?

Wenn du jemanden küsst, den du nicht kennst, bekommst du 15 Euro extra.

Nett. Aber wenn‘s in der Komparserie weder Glamour noch Reichtümer gibt, wieso sind Sie bis heute dabei?

Weil es mir die größstmögliche Freude bringt. Ich hab mit den Menschen, mit denen ich arbeite, den Spaß meines Lebens. Bei GZSZ zum Beispiel ist das Team großartig, es hat mich auch bei meinem Buch unterstützt.

Sicher reizt Sie auch die Nähe zu bekannten Schauspielern?

Nein, so bin ich nicht. Nur beim Dreh mit Tom Hanks für „Cloud Atlas“ war ich nervös, weil er für mich DER Schauspieler ist. Ich habe in einer Party-Szene auf einem Dach getanzt. Vor Aufregung hab ich sogar freiwillig den Rückzug angetreten, als nicht mehr alle Komparsen gebraucht wurden.

Apropos Schauspieler: Sie haben vermutlich schon einige Starallüren miterlebt?

Es gibt ganz viele nette Schauspieler, aber auch einige schwierige. An einen Werbedreh mit einem sehr bekannten erinnere ich mich besonders gut: Erst kam er sechs Stunden zu spät. Dann meinte er, er müsse erstmal massiert werden. Danach schrieb er noch seinen Text um, und wollte schlussendlich auch noch einen bestimmten Champagner haben, ohne Witz. Da musste der Fahrer extra noch mal los.

Und Sie wollen nicht verraten, wer das war?

Diskretion ist eine der wichtigsten Regeln für Komparsen.

Hand aufs Herz: Hoffen Sie, dass Ihnen der Komparsen-Job mal eine Hauptrolle bei GZSZ einbringt?

Nein, wirklich nicht. Denn so habe ich Zeit für meine großen Leidenschaften, das Schreiben und die Musik mit meiner Band 3Viertelelf. Und selbst wenn viele Komparsen das wollen, wird man dabei nicht als Schauspieler entdeckt. Das ist eine andere Kaste.