1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Bauernpräsident fordert Kurswechsel

Naturschutz Bauernpräsident fordert Kurswechsel

Wird der Tier- und Naturschutz übertrieben? Ein Gespräch mit dem Bauernverbandspräsidenten Olaf Feuerborn.

Von Jens Schmidt 22.01.2017, 02:00

Die Bauern sollen weniger Gülle auf die Äcker spritzen, damit das Grundwasser weniger belastet wird. Was gibt es daran auszusetzen?

Olaf Feuerborn: Auch wir wollen sauberes Wasser. Aber in Sachsen-Anhalt haben wir keine extremen Nitratprobleme, nur an einigen Stellen liegen die Werte knapp darüber. Das liegt nicht allein am Düngereinsatz. Leicht erhöhte Konzentrationen haben wir auch deshalb, weil wir in einem regenarmen Gebiet wirtschaften und die Verdünnung zu gering ist.

Regen können Sie nicht herbeizaubern. Wie sollen die Grenzwerte eingehalten werden?

Mittlerweile werden Äcker je nach Ackerfrucht differenziert gedüngt - das geht rechnergesteuert. Politiker und Bauern müssen gemeinsam nach weiteren Lösungen suchen. Doch ohne Antworten zu haben, sollen jetzt schon Dünge-Obergrenzen eingeführt werden, ohne die wirtschaftlichen Folgen ausreichend zu bedenken. Damit steigt die Gefahr, dass wir die geforderten Weizenqualitäten nicht mehr erreichen. Dänemark hat das gerade durch und entschärft die Vorgaben wieder.

Früher wurde auch Brot gebacken und weit weniger gedüngt.

Aber heute verlangen Bäckereien weitaus höhere Eiweißgehalte im Mehl. Und: Während die Bauern früher über 50 Dezitonnen Weizen je Hektar froh waren, müssen wir heute mindestens 70 schaffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ohne ausreichende und angepasste Düngung geht das nicht.

Umstritten ist auch der Umgang mit dem Wolf. Ministerin Dalbert hat einen Beauftragten eingesetzt, um Konflikte zu mindern. Wie klappt das?

Wir brauchen keinen Wolfsbeauftragten. Wir wollen, dass sich die Landesregierung auf EU-Ebene stark macht, damit die Wolfsbestände reguliert werden können ...

... Wölfe sollen gejagt werden?

Wir sind klar dafür. Wir haben nichts gegen Schutzgebiete für den Wolf, doch außerhalb dieser darf er sich nicht so rasant ausbreiten wie derzeit. Unsere Schäfer wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Da helfen weder normale Zäune noch Hunde. Wie hoch sollen sie die Zäune noch bauen? Wer trägt die Kosten, wenn eine Herde wegen der Wölfe ausbricht und auf der nächsten Straße ein Unfall passiert? Wenn es weiterhin einen totalen Wolfsschutz gibt, werden die Schäfer bald weg sein. Und damit brechen wichtige Landschaftspflegefunktionen unwiderruflich weg.

Sie wollen, dass auch Biber geschossen werden?

Der Bestand ist so gravierend gewachsen, dass wir uns auch hier über eine Regulierung unterhalten müssen. An der Elbe stören uns die Tiere nicht, aber an Zuflüssen. Vor allem in der Wittenberger Region. Die Biber fällen Bäume, dadurch staut sich Wasser auf den Äckern und Eigentum wird entwertet. Zum Teil dürfen Bauern die Biberbaue entfernen, aber die Kosten müssen sie selber tragen.

Sie beklagen auch eine überzogene Tierwohl-Politik in Sachsen-Anhalt. Was ist daran schlecht, dass Schweine mehr Platz im Stall haben müssen?

Wir sind uns grundsätzlich einig, dass die Tiere nicht so lange in Kastenständen gehalten werden sollen. Mehrere Betriebe im Land versuchen das modellartig, damit die Schweine in Gruppen frei herumlaufen können. Nur: Dazu müssen Ställe umgebaut werden. Das kostet viel Geld und dafür brauchen wir schnellere und einfachere Baugenehmigungsverfahren als bisher. Ein Stallbau amortisiert sich nach etwa 20 Jahren. Wer vor fünf Jahren gebaut hat und nun alles umrüsten soll, der kommt schnell in finanzielle Nöte. Wir wollen gern mehr für den Tierschutz tun: Aber wir brauchen Lösungen mit Augenmaß. Ein Beispiel: Schweine müssen seit dem Straathof-Urteil 2016 größere Kastenstände bekommen, damit sie sich ausreichend bewegen können. Aber: Jungsauen, die paarungsbereit sind, drehen sich heftig - und verletzen sich dabei. Wir haben das mit der Ministerin besprochen, sie hat eine Lösung zugesagt - aber das dauert noch alles viel zu lange. Die Betriebe brauchen Rechtssicherheit.

Der Bund will ein neues Tierwohl-Siegel einführen, damit die Bauern für den höheren Aufwand auch höhere Preise für ihre Produkte verlangen können. Wird das klappen?

Wir hoffen es, aber wir dürfen auch keine überzogenen Erwartungen haben. Laut Umfrage sind 17 Prozent der Deutschen bereit, für mehr Tierwohl auch etwas höhere Preise zu akzeptieren. 17 Prozent - das ist noch lange keine Mehrheit. Und wir wissen nicht, wie viele von den 17 Prozent dann im Supermarkt wirklich zu den Tierwohl-Produkten greifen.

Der Bauernverband hat sich mit anderen Verbänden in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten bitterlich beschwert. Warum der laute Aufschlag?

Weil es neben den Themen wie Düngung, Tierwohl und Wolf viele offene Fragen gibt, die nicht beantwortet sind. Wir benötigen zum Beispiel dringend mehr Personal in den Landwirtschaftsämtern. Wird nicht schnell gehandelt, werden wir EU-Fördermittel nicht ausschöpfen. Wir haben zudem den Eindruck, dass der Naturschutz bevorzugt wird. So wird im Drömling überhastet und ohne die Belange der Betroffenen wirklich zu berücksichtigen ein Großschutzgebiet umgesetzt. Dabei ist unserer Meinung nach absehbar, dass die Verluste der Agrarbetriebe größer sein werden als die Mehrein­ahmen durch Touristen. Wir wollen, dass sich die gesamte Regierung und alle Fraktionen mit diesen Problemen beschäftigen. Wir brauchen einen drastischen Kurswechsel - daher der offene Brief.

Es gab ja schon zu Beginn der Koalition Proteste. Halten Sie Agrarministerin Dalbert für die falsche Besetzung?

Nein, das sagen wir damit nicht. Sie und ihre beiden Staatssekretäre musste sich auch erstmal einarbeiten. Vielleicht sind wir ja zu ungeduldig: Aber wir erwarten jetzt Lösungen.