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Polizei-Helikopter Neuer Hubschrauber hebt zum Einsatz ab

Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat einen neuen Hubschrauber. Der modernste Helikopter der 4-Tonnen-Klasse hat seinen ersten Einsatz geflogen.

06.07.2017, 23:01

Lauftext

Magdeburg l Die beiden Piloten Frank Michler und Gordon Braun gehen auf Englisch ihre Checkliste durch. Ihr digitales Cockpit (bisher nur analog) gleicht dem eines modernen Reise-Flugzeugs. Große Monitore stellen unter anderem die Flugroute auf der Karte dar, die mit Straßennamen und weiteren wichtigen Informationen hinterlegt ist. Die großen Monitore können per Knopfdruck für alle möglichen Darstellungen eingesetzt werden. „Das Ding hat zum Beispiel hinten eine schwenkbare Kamera, so dass wir im schwierigen Gelände alles im Blick haben“, sagt der Co-Pilot. Die beiden Turbinen laufen auf Hochtouren. „Ikarus 95 ist startbereit“, meldet Frank Michler dem Tower.

Dann hebt die elf Millionen Euro teure Maschine vom Boden ab und startet in Richtung Elbe-Saale-Mündung. Der Super-Helikopter ist erst Ende Mai feierlich durch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) übergeben worden.

Seitdem trainieren die Piloten mit dem neuen Airbus-Hubschrauber. Bisher hatten die Besatzungen nur die mehr als 20 Jahre alten Bo 105 und BK 117 geflogen.

Nun ist nach den wochenlangen Trainings der erste Einsatz. Die Volksstimme begleitet das Team um Pilot Frank Michler. Für die Wasserschutzpolizei soll das „Fliegende Auge“ die Elbe, mehrere Seen im Salzlandkreis und den Mittellandkanal beobachten. Dafür will der mitfliegende Polizeikommissar Sascha Nesnau aus der Luft entdeckte Umweltstraftaten mit der Kamera aufnehmen und dokumentieren.

Obwohl es auf der Strecke immer wieder Windböen gibt, schüttelt es die Besatzung nicht durch. Es ruckelt nicht mal. Co-Pilot Braun: „Der 145 H-Helikopter hat den modernsten Autopiloten seiner Klasse. Der tariert Turbulenzen von ganz allein aus und hält die Maschine auch ruhig auf der Stelle.“ So können sich Einsatzkräfte, auf jeder Seite zwei, sicher aus 25 bis 60 Metern Höhe abseilen.

Ohnehin kommt der 41-Jährige ins Schwärmen, wenn es um den neuen Hubschrauber geht. „Das Besondere ist auch der interaktive Operator-Arbeitsplatz. Er ermöglicht uns das Nutzen von allen Datenbanken“, sagt Braun.

Zudem hilft eine hochauflösende steuerbare Wärmebild-Kamera bei der Suche nach Vermissten und Flüchtigen. Mit dem 30-fachen Zoom können Gesichter noch in großer Entfernung scharf dargestellt werden. Die Scheinwerfer leuchten aus 100 Metern Höhe einen Umkreis von 30 Metern aus. Der Fokus kann so verändert werden, dass je nach Lichtverhältnissen noch in bis zu zwei Kilometer Entfernung der Boden abgesucht werden kann.

Durch einen Filter ist es möglich, die Blendwirkung so weit zu reduzieren, dass das Licht von unten gar nicht mehr zu sehen ist. Die speziellen Außen-Lautsprecher sind so konzipiert, dass sie auch aus 500 Metern Entfernung gut verständlich sind.

Über ihren Arbeitsplatz in etwa einem Kilometer Höhe kann Operatorin Yvonne Schulz auch Live-Bilder der Kamera in das Magdeburger Lagezentrum senden. Vor allem bei Demonstrationen ist das für die Einsatzleiter am Boden ein wichtiges Hilfsmittel.

Die beiden Monitore und Geräte für den Operator sind aber noch nicht installiert, weil die sechs Piloten, vier Flugtechniker und fünf Operatoren zunächst die Basis-Schulung im Umgang mit dem neuen Helikopter absolvieren mussten. Das Training an der Spezialtechnik folgt noch. „Das ist auch der Grund, warum wir zum G-20-Gipfel unseren neuen Hubschrauber noch nicht mitnehmen können“, so Flugbetriebsleiter Polizeirat Frank Michler.

Er steuert die Maschine gerade über die Saale-Mündung. Der Beamte der Wasserschutzpolizei kann aber noch keinen Hinweis auf Verschmutzungen entdecken. Die Piloten drehen um, vorbei an Schönebeck und Magdeburg.

Es meldet sich „Christoph 36“. Die Besatzung des Rettungshubschraubers aus Magdeburg spricht mit den Ikarus-Kollegen über Funk Flughöhe und Richtung ab. „Wir fliegen zu einem Notfall in Gommern“, sagt der Christoph-36-Pilot. Michler antwortet: „Dann müssten wir Euch ja gleich sehen.“ Kurze Zeit später taucht der Rettungshubschrauber auf einem der Bildschirme im Cockpit und dann in Sichtweite auf. Die Hubschrauber verfügen wie die Flugzeuge über Transponder, die sie auf dem Radar sichtbar machen.

Über Bordfunk meldet sich Braun: „Ist die Temperatur angenehm?“ Seine Frage zielt auf die Klimaanlage in dem neuen Hubschrauber ab. „Das ist nicht selbstverständlich. Bei großer Hitze haben wir in den Maschinen Temperaturen von 40 Grad Celsius und mehr.

Da kann es sehr anstrengend sein sich zu konzentrieren“, sagt er. Die Teams der Polizei-Hubschrauberstaffel arbeiten in zwei Schichten. Zwei Helikopter sind immer einsatzbereit. „Wir können außer bei Nebel oder einem aufziehenden Gewitter auch immer fliegen“, erklärt Flugbetriebsleiter Michler.

Dunkelheit stelle angesichts der modernen Technik kein Problem dar. Sicherheit stehe dennoch bei den Einsätzen an erster Stelle. So gab es seit der Gründung der Hubschrauberstaffel im Jahr 1991 noch keine Unfälle. Die einzige kritische Situation gab es mit einer der älteren Bo-105 nach einer Verkettung unglücklicher Umstände in Magdeburg. Weil kein Benzin mehr in den Haupttank gepumpt wurde, fiel die Maschine aus. Die Piloten landeten das Gerät im Flachwasser der Elbe. „So etwas würde heute mit der modernen Technik nicht mehr passieren“, erklärt Michler.

Zwischen 700 und 800 Flugstunden haben die Piloten während der 370 Einsätze im vergangenen Jahr zurückgelegt. 40 Prozent seien Fahndungsflüge, bei denen hauptsächlich nach Vermissten gesucht wird. Vielen Menschen konnten die Besatzungen schon das Leben retten. Michler: „Das sind Situationen mit besonderem Adrenalin-Schub.“ In solchen Situationen gehen die Polizisten auch schon mal an ihre Grenzen. Der Pilot erinnert sich an einen Fall im Jahr 2006: „Wir hatten drei vermisste Personen mit der Wärmebildkamera auf dem Brocken entdeckt, da war der Tank leer. Irgendwie mussten wir aber helfen, die beiden wären erfroren. Hilfe vom Boden wäre nicht schnell genug da gewesen. Ich landete also an einem schmalen hindernisumsäumten Hang im Tiefschnee und wir konnten sie so retten.“

In einem anderen Fall am 7. Oktober 2009 stoppte der Hubschrauber sogar aus der Luft einen fahrenden Zug, um einem jungen Mann bei Drübeck im Landkreis Harz das Leben zu retten. Die Hubschrauberbesatzung entdeckte den damals suizidgefährdeten 21-Jährigen auf den Gleisen, als die Regionalbahn nur noch etwa 1,5 Kilometer entfernt war. „Wir wussten, dass die Einsatzkräfte am Boden die Stelle nicht mehr rechtzeitig erreichen würden. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mit dem Helikopter im Schwebflug dem Zug in den Weg zu stellen“, erklärt der 50-Jährige. Der Zug bremste rechtzeitig und kam 50 Meter vor dem unverletzt gebliebenen Mann zum Stehen. Die Einsatzkräfte am Boden brachten den 21-Jährigen in ein Fachkrankenhaus.Inzwischen hat „Ikarus 95“ seine Runde über der Elbe beendet und kehrt zum Hangar zurück. Umweltstraftaten konnte der Wasserschutzpolizist diesmal aber nicht entdecken.Das Land plant im Januar einen weiteren Airbus H145 zu bestellen. Der soll ab 2020 einsetzbar sein und die alte BK 117 ersetzen.