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Handball Eine Flamme, die nie ausgeht

Oberligist Rot-Weiss Staßfurt beendete die Saison mit einem 19:16-Sieg gegen Plauen-Oberlosa.

Von Enrico Werner 08.05.2016, 23:01

Staßfurt l Sebastian Scholz strich sich zweimal über die kurz geschorenen Haare, winkte schüchtern den applaudierenden Zuschauern zu und musste kämpfen. Gerade hatte der Linksaußen von Handball-Oberligist HV Rot-Weiss Staßfurt einen Korb mit ein paar Präsenten erhalten, da stiegen dem 27-Jährigen sichtlich ein paar Tränen in die Augen. Die Verabschiedung vor der Partie am Sonnabend gegen Plauen-Oberlosa ging ihm sehr nahe.

Da stand Scholz neben Patrick Tuchen, Nils Hähnel, Tobias Rindert und Alexander Ernst und musste Abschied nehmen. Über die Lautsprecher lief „Time To Say Goodbye“. Das Quintett hört auf mit dem Handballspielen. Berufliche Verpflichtungen, andauernde Verletzungssorgen oder das Laufbahnende – die Gründe sind zahlreich. Schon vor dem Anwurf erhielt das Spiel so einen ganz besonderen Rahmen.

Staßfurt feierte noch mal einen Sieg und beendete die Saison auf Rang neun. Mit 19:16 (10:9) wurden die Gäste aus Sachsen besiegt, obwohl es nicht mehr um so viel ging. Trotzdem: „Die Einstellung war vorbildlich“, lobte Staßfurts Trainer Uwe Werkmeister. „Wir hatten einen gut aufgelegten Torhüter. Die Abwehr stand so schlecht nicht.“ Gleich drei Siebenmeter entschärfte Schlussmann Tuchen. Auch deshalb kassierte Rot-Weiss bis zur Halbzeit nur neun Tore. Am Ende waren es gerade mal 16. Vorn wurde Nils Hähnel wieder zum Matchwinner. Seine sieben Treffer waren entscheidend.

Tuchen und Hähnel konnten sich so mit tollen Leistungen verabschieden. Sie unterstrichen, wie groß nicht nur der Verlust der beiden ist. „Sehr, sehr schmerzhaft“, nannte Werkmeister die Abgänge. „Jeder ist individuell. Die Spieler sind nicht ersetzbar. Aber es geht immer weiter.“ Ein Umbruch muss her, weil zudem Kevin Engelhardt und Martin Dittmar nur noch für das Reserve-Team in der Verbandsliga auflaufen sollen. Es wird viel passieren in Staßfurt. In den nächsten Wochen sollen Spieler bekanntgegeben werden, die auch „charakterlich hereinpassen müssen“, sagte Werkmeister.

Bevor der Umbruch konkret wird, war am Sonnabend aber noch viel Zeit für warme Worte und Danksagungen. „Man kann die Mannschaft nicht genug loben. Sie hat nicht nur normalen Kampfgeist. Das ist mit Worten nicht zu beschreiben. Das habe ich vorher noch nicht erlebt“, betonte Werkmeister.

Der Teamgeist ist anders als bei anderen Vereinen. „Das hat mich so lange hier gehalten“, sagte Sebastian Scholz, der seinen Job bei einem Motorrad-Hersteller in Magdeburg nur noch schwer mit dem Sport vereinbaren kann. „Es war eine geile Zeit. Mein Herz hängt an diesem Verein.“ Knapp zehn Jahre war Scholz dabei, erlebte die Insolvenz des Vorgängervereins Concordia 2009 mit. All diese Erinnerungen kamen nun hoch. Scholz kam in der Ecke der Halle aus dem Händeschütteln nicht mehr heraus. Jeder wollte ihm alles Gute wünschen. „Die Flamme geht nie aus“, gab ihm ein Zuschauer mit auf den Weg. „Nie.“ Scholz nickte. „Das stimmt.“ Das zeigte, wie besonders der Verein auch für viele Fans, Freunde, Beteiligte im Umfeld war und ist.

„Ich hatte eine Gänsehaut“, sagte Hähnel, der vorher ein „bisschen aufgeregt“ war. Danach wurde er als bester Spieler der Saison geehrt. Auch der 25-jährige Rückraum-Hüne macht Schluss. Einfach war das auch für ihn nicht. „Da kann man als Mann auch mal weinen“, meinte Hähnel und schluckte.

Aber auch Rindert, Ernst und Tuchen bekamen ergreifende Verabschiedungen. Für Rindert zumindest hatte das Spiel einen faden Beigeschmack. Er fiel in der ersten Halbzeit unglücklich auf den Boden. Es besteht der Verdacht auf einen Mittelhandbruch. Maurice Wilke bekam nach einem Sprint muskuläre Probleme. So mussten andere noch mal ran. Der lange verletzte Sebastian Retting hatte drei Kurzauftritte an der Siebenmeter-Linie. Er traf dreimal.

Es war dann irgendwie aber doch alles gut. Ein wohliger Schleier des Abschieds lag über der Paul-Merkewitz-Halle in Staßfurt. Mit Handball ist es erstmal vorbei. Über Pfingsten fliegt die Mannschaft nach Mallorca und genießt den Klassenerhalt, den Staßfurt vor zwei Wochen klar gemacht hatte. „Das haben sie sich verdient. Sie können verdammt stolz sein“, sagte Werkmeister. „Da dürfen die Spieler auch mal über die Stränge schlagen.“ Und auch der Trainer muss jetzt mal andere Dinge sehen. Werkmeister macht Familienurlaub an der Müritz. Auch er braucht etwas Auszeit und Kraft für eine neue Saison in der Mitteldeutschen Oberliga.

Staßfurt: Tuchen, Schliwa - Dittmar, Kloppenburg, Mennecke, Retting (3/3), Jacobi (3), Ernst (1), Engelhardt, Rach, Hähnel (7), Scholz (1), Rindert, Secara (2), Wilke (2)

Siebenmeter: Staßfurt 3/3 - Plauen 3/0; Zeitstrafen: Staßfurt 2 - Plauen 0, Rot: Robert Mennecke (Staßfurt, 43.)