1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Buch
  6. >
  7. Kämpferin für die Freiheit: Emma Herwegh

Eine Revolutionärin Kämpferin für die Freiheit: Emma Herwegh

Das Leben der Demokratin und Revolutionärin Emma Herwegh war ein verwegener Roman. Dirk Kurbjuweit zeigt vor allem ihre Widersprüche.

Von Sibylle Peine, dpa 07.02.2017, 14:19

Berlin (dpa) - Wäre Emma Herwegh (1817-1904) Amerikanerin gewesen, ihr Leben wäre längst zu einem grandiosen Hollywoodspektakel verfilmt worden. Alle Zutaten sind da: Tochter aus gutem Hause, schön, reich und gebildet, verliebt sich in die Revolutionsikone ihrer Zeit, einen umschwärmten Dichter.

Sie folgt ihm ins Exil und kämpft sogar leibhaftig für die Revolution: Wie ein Mann gekleidet, in Hose, Jacke und Schlapphut streitet sie an der Seite der Aufständigen. Was für ein erstaunliches Bild: Die Salontochter als Amazone, die reiten und schießen kann. Doch die Sache mit der Revolution geht schief und auch die Liebe ist voller Dramen - der geliebte Mann verzehrt sich nach einer anderen. Aber die Heldin gibt den Kampf nicht auf und geht erhobenen Hauptes aus der Geschichte. So zumindest wäre es in Hollywood.

In Dirk Kurbjuweits Roman "Die Freiheit der Emma Herwegh" sieht es ein bisschen anders aus. Bei ihm ist die Berliner Tochter eines Seidenhändlers, Demokratin und Feministin zwar auch die politische Freiheitskämpferin, modern, furchtlos, radikal, vor allem aber ist sie eine Ehefrau, die im Privaten eben diese Konsequenz vermissen lässt. Denn die Freiheit, die Emma hier im Munde führt, ist doch sehr einseitig. Jahrelang betrügt ihr Mann Georg Herwegh (1817-1875) sie mit anderen Frauen, er drängt ihr sein Konzept der freien Liebe auf, was ihr eigentlich wiederstrebt, ohne dass sie jedoch für klare Verhältnisse sorgt. In gewisser Weise fördert sie seine Eskapaden sogar, die ihr doch Schmerzen bereiten.

Kurbjuweit (54), "Spiegel"-Journalist und erfolgreicher Romanautor, fokussiert sich stark, vielleicht zu stark auf diese turbulente Ehe zweier Revolutionäre. Erzählt wird im Rückblick, eingebettet in eine Rahmenhandlung, die im Jahr 1894 spielt. Emma ist da schon eine alte Frau, seit langem Witwe. In Paris führt sie ein eingeschränktes Leben, finanziert von Freunden. Einer ihrer Besucher ist Frank Wedekind, von dem sie sich Unterstützung erhofft.

Der junge Dramatiker, der gerade mit seinem Stück "Frühlings Erwachen" Furore gemacht hat, ist von Emmas Lebensgeschichte fasziniert, aber auch über ihre Duldsamkeit schockiert. Einmal erzählt Emma ihm, wie sie im Pariser Exil Briefe ihres Mannes aus der Schweiz erhielt. Regelmäßig steckten in den Umschlägen Kuverts, die sie seiner Geliebten Natalie Herzen überreichen sollte. Wedekind beschimpft Herwegh daraufhin posthum als Schurken und Schuft.

Tatsächlich gibt der viel gerühmte Dichter ("Der Freiheit eine Gasse"), ein Vorkämpfer der 1848er Revolution und Frühsozialist, im Roman eine eher klägliche Figur ab. Eine Audienz beim preußischen König versemmelt er, von der Polizei lässt er sich aufs Glatteis führen, in Paris vertrödelt er den Vorabend der Revolution mit dem Studium von Krustentieren, während er kaum noch Gedichte schreibt und sich zu keinen Taten aufschwingen kann.

In einer Schlüsselszene bringt Emma ihrem Mann widerwillig die faulig und fischig riechenden Meerestiere, während sie ihm gleichzeitig erzählt, dass Soldaten in die Stadt einziehen. Doch der Dichter zeigt keine Reaktion, verharrt in empörender Passivität. Heinrich Heine verspottete Herwegh als "eiserne Lerche", viel Pathos, wenig Tat. Doch das stimmt nicht ganz. Denn am Ende stürzen sich die Herweghs doch noch ins Revolutionsabenteuer. Sie wollen dem badischen Revolutionär Friedrich Hecker mit einer Gruppe von Freischärlern zu Hilfe eilen. Sie scheitern kläglich. Danach wird Emma als Aufrührerin steckbrieflich gesucht.

Kurbjuweit schildert Emma Herwegh als große Freiheitssuchende, die sich spektakulär über Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzte, sich aber andererseits selbst Fesseln auferlegte, indem sie sich ganz auf ihren Mann bezog und seine Spielregeln bereitwillig übernahm. Ein großes Frauenleben mit tragischer Note.

- Dirk Kurbjuweit: Die Freiheit der Emma Herwegh, Hanser Verlag, München, 336 Seiten, 23,00 Euro ISBN 978-3-446-25464-0.

Die Freiheit der Emma Herwegh