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Präsidentschaftswahl Europa blickt auf Österreich

Im dritten Anlauf soll Österreich ein neues Staatsoberhaupt bekommen. Das Ergebnis stellt womöglich Weichen für andere Wahlen in Europa.

04.12.2016, 09:15

Wien (dpa) l Bei der österreichischen Präsidentenwahl wird am Sonntag erstmals ein Politiker aus den Reihen der Opposition zum Staatschef erkoren. Der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer (45) hat zudem gute Chancen, erster Rechtspopulist an der Spitze eines Staates in Westeuropa zu werden. Sein Gegner ist der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen (72), ein glühender Anhänger der EU. Es ist der dritte Anlauf für die Wahl des neuen Staatschefs in Österreich. Laut Umfragen dürfte das Ergebnis wieder knapp ausfallen.

Ein Sieg Hofers könnte den EU-kritischen Populisten bei den bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland Auftrieb geben. Seine guten Erfolgschancen sind auch der Grund für das enorme internationale Interesse. Nach Angaben des Innenministeriums vom Samstag haben sich 765 Journalisten, Fotografen und TV-Teams aus aller Welt zur Berichterstattung angemeldet.

Der Bundespräsident kann in Österreich zumindest auf dem Papier einen erheblichen Einfluss auch auf die Tagespolitik nehmen. So kann er die Regierung entlassen und die Vereidigung eines Kabinetts oder einzelner Minister verweigern. Auch aus diesem Grund misst der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier dem Wahlausgang weitreichende Folgen für die künftige Regierungsbildung bei. "Wenige Tage in seiner 2000-tägigen Amtszeit hat das Staatsoberhaupt wirklich großen Einfluss", sagte Filzmaier der Deutschen Presse-Agentur.

Die Wahl gilt dementsprechend als Weichenstellung für eine künftige Regierungsbeteiligung der zuwanderungs- und EU-kritischen FPÖ. Sie ist die aktuell populärste politische Kraft in Österreich.

Die erste Stichwahl am 22. Mai hatte Van der Bellen mit knapp 31.000 Stimmen Vorsprung hauchdünn gewonnen. Dieses Votum wurde vom Verfassungsgerichtshof wegen organisatorischer Schlampereien bei der Auszählung der Briefwahlstimmen annulliert. Nach einer erneuten Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins am 2. Oktober wegen Problemen mit den Briefwahl-Kuverts soll nun endlich über die Neubesetzung des höchsten Staatsamts entschieden werden.

6,4 Millionen Bürger dürfen am Sonntag wählen gehen. Die Wahlbeteiligung lag am 22. Mai bei 72,7 Prozent. Alle Prognosen gehen davon aus, dass die Motivation der Bürger gesunken ist. Ein erstes Anzeichen für ein geringeres Wahlinteresse könnte der Rückgang der Anzahl der Briefwähler um rund 20 Prozent sein. Hatten für den 22. Mai noch rund 885.000 Bürger eine entsprechende Wahlkarte bestellt, sind es nun nur noch 708.000.

Der fast einjährige Wahlkampf und die vielen organisatorischen Pannen haben erhebliche Spuren in der politischen Kultur des Landes hinterlassen. So lieferten sich die Kandidaten in mindestens zwei TV-Duellen eine wenig staatsmännische Redeschlacht. In der letzten TV-Debatte im ORF drei Tage vor der Wahl hagelte es gegenseitige Lügen-Vorwürfe. Das Medienecho darauf fiel teils verheerend aus.