Altbundeskanzler Der letzte Patriarch

Helmut Kohl hat die historisch einmalige Chance genutzt, den Deutschen die Einheit wiederzugeben.

Von Steffen Honig 16.06.2017, 20:15

Wenn Helmut Kohl einen Raum betrat, nahm er ihn förmlich ein. Schon durch seine imposante Statur. Und durch den Nimbus des keinen Widerspruch duldenden Staatslenkers. Diese Aura wurde mit jedem Jahr seiner Kanzlerschaft größer. Kohl pflegte sie gern selbst, wenn er etwa vom schicksalhaften „Mantel der Geschichte“ sprach.

Als er 1982 an die Macht kam, hätte ihm wohl niemand zugetraut, die Bundesrepublik Deutschland lange regieren zu können. Kohl strafte die Zweifler Lügen: Beinahe für die Dauer einer Generation lernten die Schüler, dass der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl heißt. Die Umgewöhnung nach der Abwahl des Patriarchen 1998 fiel dem Land schwer.

Kohl war als Konservativer fest in CDU und Marktwirtschaft verankert. Sein Wirken für ein einiges Europa ist beispielhaft bis heute. Die deutsch-französische Freundschaft war für Kohl ein unzerstörbares Gut, an Maastricht-Vertrag und Euro hatte er eine entscheidende Aktie.

Helmut Kohl war ein gesamtdeutscher Politiker lange vor der Wende des Jahres 1989. Seine Frau Hannelore war in Leipzig aufgewachsen, er hatte eine innere Verbindung zur Wiedervereinigung. Als die Mauer fiel, hatte er das politische Thema seines Lebens gefunden – die Vollendung der Einheit.

Dass dies innerhalb eines Jahres gelang, grenzt an ein Wunder. Auch wenn sein Versprechen von „blühenden Landschaften“ mehr Wunsch denn Wirklichkeit war. Nur den Fluch der späten 1990er Jahre, als er Wahl und dann Parteivorsitz verlor, weil er in der CDU-Spendenaffäre mauerte, wurde er nie wieder los.

Helmut Kohl ist eine weltweit anerkannte Persönlichkeit. Er hat die historisch einmalige Chance genutzt, den Deutschen 45 Jahre nach dem von ihnen angezettelten Zweiten Weltkrieg die Einheit wiederzugeben. Sie zu voller Blüte zu bringen, ist sein Vermächtnis.