1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Versöhnung zwischen Türkei und Israel

Konflikt Versöhnung zwischen Türkei und Israel

Sechs Jahre nach dem blutigen Zwischenfall auf dem Hilfsschiff "Mavi Marmara" normalisieren beiden Länder ihre Beziehungen.

27.06.2016, 23:01

Istanbul (dpa) l Wie ein Mahnmal liegt die „Mavi Marmara“ vertäut auf der asiatischen Seite der türkischen Millionenmetropole Istanbul. Das Schiff, das 2010 als Teil der „Solidaritätsflotte“ Israels Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen sollte, wurde zum Sinnbild der schweren Krise zwischen der Türkei und Israel. Schon vor dem Blutbad waren die Beziehungen der Bündnispartner angespannt – doch nach dem Tod von zehn Türken beim Sturm der israelischen Marine auf das Schiff kam es zum offenen Bruch. Erst jetzt, sechs Jahre später, konnten sich die beiden Mittelmeerländer auf eine Versöhnung einigen.

Der damalige türkische Ministerpräsident und heutige Staatschef Recep Tayyip Erdogan stand schon vor dem Zwischenfall klar auf der Seite der Palästinenser. Legendär ist in der Türkei bis heute Erdogans Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2009, als er dem israelischen Präsidenten Schimon Peres das Töten palästinensischer Kinder vorwarf.

Nach der Erstürmung der „Mavi Marmara“ eskalierte Erdogans Kritik an Israel – daran änderte auch eine Entschuldigung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drei Jahre später nichts. „Jetzt hat der terroristische Staat Israel mit seinen Gräueltaten in Gaza Hitler übertroffen“, sagte Erdogan im Wahlkampf um das Präsidentenamt im Sommer 2014, während des Gaza-Kriegs. Später warf er Netanjahu nicht nur „Staatsterrorismus“ vor, sondern „verfluchte“ dessen ganze Regierung. Israels damaliger Außenminister Avigdor Lieberman nannte Erdogan noch Anfang vergangenen Jahres einen „antisemitischen Rüpel“.

Die Kernforderung Erdogans, der enge Beziehungen zur radikal-islamischen Hamas pflegt, war ein Ende der Blockade des Gazastreifens. Die nun erzielte Vereinbarung erlaubt zwar türkische Hilfslieferungen über den Hafen von Aschdod, beendet aber Israels Sperrmaßnahmen nicht, die auch von Ägypten mitgetragen werden. Dass der nicht eben für seine Kompromissbereitschaft bekannte Staatschef der Türkei dieser Abmachung zugestimmt hat, zeigt, wie wichtig ihm das Ende des Konflikts mit Israel ist. Viele Freunde hat die Türkei nicht mehr, Aussöhnungen sind eine Seltenheit.

Die türkische Außenpolitik unter dem Motto „Null Probleme mit den Nachbarn“ ist jedenfalls gescheitert. Nicht nur mit den Nachbarn gibt es dabei jede Menge Probleme. Russland hat sogar Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Der jüngste Konflikt eskaliert zwischen Ankara und Berlin, seit der Bundestag die Völkermordresolution zu den Massakern an den Armeniern im Osmanischen Reich beschlossen hat.

Auch Israel hat mit regionaler Isolation zu kämpfen, obwohl es zuletzt seine Beziehungen zu Ägypten verbessern konnte. Eine israelische Annäherung an den Konkurrenten Griechenland sowie den Inselstaat Zypern dürfte die türkische Bereitschaft zu einer Versöhnung verstärkt haben. Mit Hinweis auf die Gasförderung im Mittelmeer sagte auch Netanjahu, das Abkommen mit Ankara habe handfeste wirtschaftliche Vorteile.

Für die USA ist eine Versöhnung der beiden wichtigen Verbündeten im Mittelmeerraum ebenfalls von strategischem Interesse. „Wir haben eine Lösung der Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und Israel natürlich ermutigt“, sagte US-Außenminister John Kerry am Montag nach einem Treffen mit Netanjahu in Rom.

In der Ewigen Stadt hatten Vertreter beider Seiten bis zuletzt an der Einigung gefeilt. Die destabilisierende Wirkung des andauernden Syrien-Kriegs sowie die Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat betreffen sowohl die Türkei als auch Israel.

In Israel stieß die Vereinbarung, die israelische Entschädigungszahlungen von rund 20 Millionen Dollar vorsieht, auf gemischte Reaktionen. Oppositionspolitiker verurteilten das Abkommen als schwere „Demütigung“ Israels, viele Kommentatoren stuften es hingegen als unumgänglich und lange überfällig ein.