1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Tödlicher Schuss „aus Blödsinn“

Prozess-Start Tödlicher Schuss „aus Blödsinn“

Silvester feiert eine Elfjährige in Bayern auf der Straße. Bis eine Revolverkugel sie trifft. Der Schütze bestreitet einen Vorsatz.

Von Sophie Rohrmeier 07.12.2016, 23:01

Bamberg (dpa) l Draußen feiern die Menschen Silvester, in einem Haus in Bayern aber steigt ein Mann in seinen Keller. Er geht zu seinem Waffenschrank, füllt Patronen in seinen Revolver, geht in den Garten und feuert. Drei- oder viermal. Er kehrt zurück ins Haus, reinigt die Waffe und schläft ein. So beschreibt der Schütze das Geschehen beim Prozessauftakt gestern vor dem Landgericht Bamberg. Der Vorwurf: Mord. Denn eine der Kugeln trifft ein elf Jahre altes Mädchen in den Hinterkopf. Es stirbt.

Das Mädchen hieß Janina. Mit drei anderen Mädchen und zwei Frauen hatte es im unterfränkischen Dorf Unterschleichach ins neue Jahr gefeiert. Gegen 1 Uhr wird Janina von der Kugel getroffen. Eine mehrstündige Notoperation kann sie nicht mehr retten.

Der Prozess, der ihren Tod aufklären soll, beginnt am Geburtstag des Angeklagten. 54 Jahre wird der Mann, ein gelernter Maurer, der zuletzt als Fahrer für eine Justizvollzugsanstalt arbeitete. Janinas Mutter – ganz in schwarz – sitzt nur wenige Meter von ihm entfernt, sie ist Nebenklägerin in dem Prozess. Als Oberstaatsanwalt Otto Heyder die Anklage verliest, weint sie. Danach wirkt sie gefasst, sieht den Angeklagten an, mit verschränkten Armen.

Vier Waffen hatten Polizisten bei dem Schützen sichergestellt. „Besser wär‘s gewesen, ich hätte den Scheiß verkauft“, sagt der Angeklagte vor Gericht. Früher habe er im Krieger- und Soldatenverein regelmäßig geschossen. Seit Jahren aber schieße er gar nicht mehr. Seine Hände zitterten zu sehr.

Der Mann ist krank, er hat Magen- und Lungenoperationen hinter sich. Starke Schmerzmittel, Schlaftabletten und ein Antidepressivum sind seine täglichen Helfer. Das Zittern läge an den Nerven, sagt er. Am Silvesterabend vor knapp einem Jahr ist er allein. Sein 15-jähriger Sohn lebt bei der Mutter, das Paar hatte sich 2010 getrennt. Musiksendungen habe er sich an dem Abend angesehen, sagt er, dann sei er auf der Couch eingeschlafen. Als er aufwacht, kracht es draußen. Es ist ja Silvester.

Was ihn dazu gebracht habe, zu schießen, wisse er nicht. Knapp ein Jahr nach der fürchterlichen Tat bestreitet er jede Tötungsabsicht. Nein, er habe damals nicht bewusst in Richtung von Menschen geschossen, beteuert er in einer Erklärung, die sein Anwalt für ihn verliest. Vielmehr habe er Richtung Wald gezielt, und: „Er bedauert zutiefst, was am 1. Januar 2016 passiert ist.“

Als er schoss, habe er bewusst darauf geachtet, von der Straße aus nicht gesehen zu werden, wirft ihm der Oberstaatsanwalt vor. So habe das Mädchen nicht mit einem Angriff rechnen können. Daher geht die Anklagebehörde von Heimtücke und niederen Beweggründen aus. Dass das Mädchen sterben würde, habe der Mann zumindest billigend in Kauf genommen. Das könnte für ihn lebenslange Haft bedeuten.

Von der Polizei hieß es im Januar nach den Vernehmungen, der Täter habe aus Wut über den Lärm und Frustration über seine persönliche Lage geschossen. Sein Anwalt argumentiert, dass die Beamten dieses Motiv seinem Mandanten vorgesagt hätten. „Er hat dann einfach nachgeplappert.“ Seine erste und eigene Antwort auf die Frage nach dem Warum sei hingegen gewesen: „Aus Blödsinn.“