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Aufgespießt Ware Luther und wahrer Luther

Die Stadt Halle will sich unverfroren zum Zentrum der Reformation aufwerten.

Von Steffen Honig 08.04.2017, 01:01

Halle l Es läuft was falsch beim großen Luther-Jubiläum. Bücher, Filme und Ausstellungen – sie die alle lügen. Das eigentliche Zentrum der Reformation war nicht Wittenberg, sondern Halle an der Saale! Dies hat das dortige Stadtmarketing herausgefunden und will es nun offensiv verbreiten.

Richtig, dass die Wahrheit ans Licht kommt: In Halle hat Luther dreimal (!) gepredigt und mit dem Kardinal von Brandenburg disputiert. In der Stadtkirche liegt die Totenmaske des Reformators. Donnerwetter, unter der Last dieser Beweise brechen sie in den anderen Lutherstädten und -stätten glatt zusammen!

Dabei ist manches noch 500 Jahre nach der Reformation gar nicht bekannt. Der in Halle geborene Komponist Georg Friedrich Händel soll nämlich der fünften Seitenlinie der Familie Luther entstammen. Außerdem planten Luther und Melanchthon dereinst auf der Peißnitzinsel ein Frauenkloster mit angeschlossenen Freibad zur Reinwaschung der von ihnen bekehrten Gläubigen zu errichten. Davon sollen noch ein paar Steinreste zu finden sein ...

Genug: Es geht den Halle-Werbern nur um die Ware Luther, nicht den wahren Luther. Dafür streuen sie den Leuten im Jubiläumsjahr Unmengen von Kathi-Mehl in die Augen. Doch auch mit der unverschämtesten Aufschneiderei wird man nicht zum Luther-Zentrum.

Lebte der Reformator noch, würde er bei so viel Hallischer Großmannssucht wohl ausrufen: „Gebt mir die Kugel!“ Womit nicht die Hallorenkugel gemeint wäre.