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Aldi Im Norden läuft es nicht mehr rund

Zusammen sind Aldi Nord und Süd unangefochten die Nummer eins im deutschen Discountmarkt. Doch es gärt im Reich des Riesen.

Von Erich Reimann 05.06.2016, 23:01

Düsseldorf (dpa) l Mächtig und verschwiegen: So präsentierte sich jahrzehntelang Deutschlands größter Discounter Aldi der Öffentlichkeit. Doch das ist Vergangenheit. Ein erbitterter Familienstreit in der Albrecht-Dynastie erlaubt in diesen Tagen ungewohnte Blicke hinter die Fassade des sonst so verschlossenen Handelsriesen und wirft ein Schlaglicht auf die unterschiedlichen Wege, die die beiden unabhängigen Teile des Discounterimperiums – Aldi Nord und Aldi Süd – in den vergangenen Jahren gegangen sind.

Für Schlagzeilen sorgt dabei zurzeit vor allem der Sohn des Aldi-Nord-Gründers, Theo Albrecht jr.. Er wirft der Witwe seines 2012 gestorbenen Bruders Berthold in harschen Worten vor, mit ihren Bemühungen um mehr Einfluss auf die Familienstiftung dem letzen Willen ihres Mannes zuwiderzuhandeln und damit dem Unternehmen zu schaden. „Mein Bruder würde sich im Grab rumdrehen, wenn er wüsste, was hier abläuft“, schimpfte der Unternehmer in einem Interview. Die Witwe Babette Albrecht und ihre Kinder weisen den Vorwurf, gegen den Unternehmenssinn zu handeln, nach Angaben ihres Anwalts allerdings entschieden zurück.

So oder so: Der öffentliche Streit im Hause Albrecht, bei dem es auch um viel Geld geht, passt überhaupt nicht zum sparsamen und öffentlichkeitsscheuen Image, das die Aldi-Dynastie über Jahrzehnte pflegte. Und er kommt für Aldi Nord zu einer denkbar unpassenden Zeit. Denn schon vor den jüngsten Turbulenzen hat die Nordhälfte des Aldi-Reiches gegenüber dem Süden an Boden verloren.

Denn was viele Aldi-Kunden gar nicht wissen: „Den Aldi“ gibt eigentlich gar nicht. Die Firmengründer Karl und Theo Albrecht teilten den gemeinsam aufgebauten Billiganbieter – der Name steht für Albrecht Diskont – schon in den 60er Jahren in zwei voneinander unabhängige Unternehmen auf.

Der Grund für die Aufspaltung ist bis heute unbekannt. Doch läuft seitdem der sogenannte Aldi-Äquator quer durch Deutschland. Die Stadt Essen etwa gehört zu Aldi Nord. Das benachbarte Mülheim an der Ruhr schon zu Aldi Süd.

Zwar arbeiten die Unternehmen bis heute an vielen Stellen eng zusammen, dennoch haben sie sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich auseinanderentwickelt. „Aldi Nord hält stärker als der Süden am klassischen Hard-Discount fest. Aldi Süd ist innovativer. Sie sind einfach mutiger, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren, und sie sind erfolgreicher“, beschreibt Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU die Unterschiede.

Die Unterschiede zwischen den Schwesterfirmen spiegeln sich inzwischen auch in den Umsatzzahlen. Nach Schätzungen des Handelsforschungsinstituts EHI lagen die Umsätze von Aldi Süd in Deutschland im vergangenen Jahr mit 14,5 Milliarden Euro mehr als drei Milliarden Euro höher als die von Aldi Nord. Und während bei Aldi Nord der Haussegen schief hängt, ist bei Aldi Süd die Welt noch in Ordnung. Wie in alter Zeit dringt kaum etwas aus dem Unternehmen nach außen.

Angesichts der glücklichen Hand, mit der Aldi Süd zurzeit agiert, und der Turbulenzen bei Aldi Nord plädiert deshalb der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein für eine radikale Lösung: „Es würde sicher Sinn haben, wenn Aldi Süd Aldi Nord übernehmen würde.“