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China Geschäfte mit Chancen und Risiken

Während Sachsen-Anhalts Unternehmen den Handel mit dem Reich der Mitte ausbauen, kaufen sich die Chinesen bei deutschen Firmen ein.

02.11.2016, 23:01

Magdeburg l Die Zeiten, in denen die chinesische Wirtschaft zweistellige Wachstumsraten vorweisen konnte, sind vorbei. Dennoch bleibt das Reich der Mitte mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern ein attraktiver Wirtschaftsraum. Und die Regierung in Peking setzt weiter alles daran, dass China seinen Ruf als ökonomische Weltmacht festigt.

Wie selbstbewusst Peking inzwischen mit seinen Handelspartnern agiert, bekommt dieser Tage Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu spüren. Bei seinem Besuch in der chinesischen Hauptstadt wurde er kühl empfangen, nachdem er die Übernahme des Anlagenbauers Aixtron durch einen chinesischen Investor kurzfristig platzen ließ.

Schon länger bestehen auf deutscher Seite Befürchtungen, dass sich Chinesen mit Hilfe von Firmenübernahmen Know-how aneignen wollen, um im Wettbewerb der Wirtschaftsmächte voranzukommen.

Diese Befürchtung stand auch vor einem guten halben Jahr im Raum, als die chinesische Firmengruppe Beijing Enterprises den Müllverbrennungs-Spezialisten EEW Energy from Waste für 1,4 Milliarden Euro übernahm. Es war 2016 der bundesweit viertgrößte Deal der Chinesen in Deutschland.

Bis heute ist man bei dem Helmstedter Unternehmen, das auch am Heizkraftwerk in Magdeburg-Rothensee beteiligt ist, allerdings sehr zufrieden mit dem neuen fernöstlichen Inhaber. „Wir freuen uns darüber, dass unsere chinesischen Partner langfristig und strategisch denken“, erklärt Peter Werz, Kommunikations-Chef bei EEW.

Anders als beim vorherigen Eigentümer, einer schwedischen Investmentgruppe, gehe es nicht mehr allein um Rendite. „Beijing Enterprises und EEW wollen gemeinsam expandieren.“ Ängste, dass deutsches Know-how abfließen und Arbeitsplätze gestrichen werden könnten, seien im Fall von EEW unbegründet, betont Werz. „Beide Seiten verfügen über Kenntnisse, die künftig dem jeweils anderen zugutekommen – es ist ein Austausch auf Augenhöhe.“ Da sich die Geschäfte gut entwickeln würden, plane das Unternehmen, weitere Mitarbeiter einzustellen.

Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt mittlerweile mehr als ein Dutzend chinesische Unternehmen oder Firmen mit chinesischer Beteiligung. Dazu zählen CST in Ilsenburg, die KSM Castings Group in Wernigerode und Schiess in Aschersleben. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums haben chinesische Unternehmen seit 2007 mehr als 130 Millionen Euro hierzulande investiert, mehr als 500 Jobs geschaffen und weitere rund 800 Stellen gesichert.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass der insolvente Bahnhersteller FTD Fahrzeugtechnik Dessau wieder eine Zukunft hat, weil das chinesisch-schweizerische Unternehmen Molinari Rail Systems den Betrieb mit 50 Beschäftigten übernehmen will. Sachsen-Anhalts Wirtschafts-Staatssekretär Thomas Wünsch (SPD) sieht in engeren Verbindungen zur chinesischen Wirtschaft deshalb zunächst etwas Positives. „Wenn es Partnerschaften auf Augenhöhe sind, dann muss man auch nicht allzu große Bedenken haben, dass Know-how verloren gehen könnte.“

Es gibt aber auch Firmen, die negative Erfahrungen gemacht haben. Das Barleber Unternehmen Laempe Mössner Sinto liefert seit Jahren Gießereitechnik ins Reich der Mitte, zuletzt konnte das Unternehmen seinen Absatz dort vervierfachen. Aber: „Wir hatten und haben hier Know-how-Streitigkeiten“, erklärt Geschäftsführer Andreas Mössner. „Wir sehen heute einige Kopien unsere Maschinen von lokalen Herstellern sowie direkte Patentverletzungen.“ Zwar habe das Unternehmen in der Vergangenheit bereits einen Rechtsstreit in China gewonnen, doch wie der aktuelle Patentstreit ausgeht, sei noch völlig offen.

Es ist einer dieser klassischen Fälle, die auch Sigmar Gabriel umtreiben. Doch nach seiner zuletzt scharfen, öffentlichen Kritik an der chinesischen Regierung ist es fraglich, inwieweit Peking beim Schutz geistigen Eigentums künftig kooperieren wird.

Das Stendaler Unternehmen Zorn Instruments liefert seit Jahren Prüftechnik für den Eisenbahnbau ins Reich der Mitte. „Dass wir kopiert werden, ist dann so etwas wie eine besondere Form der Anerkennung“, sagt Vertriebschef Thorsten Hildebrand. Zorn habe jedoch das Glück, dass sich die Prüftechnik als Nischenprodukt nicht dazu eigne, über Nacht Reichtümer anzuhäufen – anders als Marken-Turnschuhe oder Handys. „Die Chinesen verlieren deshalb meist schnell wieder das Interesse an unseren Produkten“, so Hildebrand.

Die deutschen Unternehmen müssen insofern stets abwägen, ob die Absatzchancen im Reich der Mitte größer sind als die Risiken wie Know-how-Abfluss. Dass sich viele hier bislang eher optimistisch positionieren, zeigt die Entwicklung der Handelsbilanz. Im vergangenen Jahr wurden Waren im Wert von rund 663 Millionen Euro aus Sachsen-Anhalt nach China exportiert – das waren 10,3 Prozent mehr als 2014. China zählt inzwischen zu den zehn wichtigsten Absatzmärkten der hiesigen Unternehmen, im Ranking rangierte es zuletzt auf Platz neun.

Stark zugenommen haben auch die Warenimporte aus China. 2015 wurden Waren im Wert von rund zwei Milliarden Euro eingeführt, 47 Prozent mehr als 2014. Zu den wichtigsten Importgütern zählten zuletzt Smartphones, Schuhe und Kleidung. Das Reich der Mitte liegt damit im Import-Ranking auf Platz zwei.

Vom wachsenden Handel haben letztlich also beide Seiten etwas. Dennoch gibt es Themen, bei denen die Regierungen wohl auch weiterhin heftig aneinander geraten werden. So will China noch in diesem Jahr als Marktwirtschaft anerkannt werden. Das würde bedeuten, dass Europa künftig kaum noch Zölle gegen staatlich subventionierte Produkte erheben dürfte. Die Deutschen wiederum fordern einen freieren Zugang zum chinesischen Markt, auch deutschen Firmen müsste es künftig erlaubt sein, chinesische zu übernehmen.