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TV-Tipp All Is Lost - Überleben ist alles

"All Is Lost" ist ein Überlebensdrama, das fast ohne Worte auskommt. Ein grandioser Robert Redford kämpft alleine als schiffbrüchiger Segler gegen Naturgewalten und Todesängste. Regisseur J.C. Chandler ist ein filmisches Experiment gelungen.

18.06.2017, 23:01

Los Angeles (dpa) - Man weiß kaum etwas über den Mann, der in "All Is Lost" 106 Minuten alleine ums Überleben kämpft. Er hat keinen Namen, im Abspann wird er nur als "unser Mann" geführt. An seiner faltigen Hand ist ein Ring, doch hat er eine Familie, eine Frau?

Nur so viel gibt das fesselnde Survival-Drama (ZDF, 22.15 Uhr) preis: Ein Skipper treibt mitten im Indischen Ozean auf seiner leck geschlagenen Segeljacht "Virginia Jean". Er spricht kaum ein Wort. Nur einmal kommen ein Fluch über die Lippen und ein verzweifelter SOS-Ruf. Mehr nicht.

Nicht viele Schauspieler sind für diesen Ein-Personen-Kampf gegen die Elemente geschaffen. Dem damals 77-jährigen Robert Redford jedoch gelingt eine stumme, einzigartige Tour de Force, die seine über 50-jährige Laufbahn krönt. Allein mit seinem wettergegerbten Gesicht und Gesten von Hoffnung und Verzweiflung fesselt Redford die Zuschauer.

"All Is Lost" beginnt mit einem Abschiedsbrief und einer Entschuldigung. An wen, das erfährt man nicht. Er habe versucht, stark zu sein, zu lieben, es richtig zu machen. Aber nun sei alles verloren. Worte auf einem Zettel, den er in einem wasserdichten Glas verpackt ins Meer wirft.

Acht Tage zuvor: Der Segler wird unter Deck jäh durch einen schweren Ruck aufgerüttelt. Sein Einmaster hat einen im offenen Ozean treibenden Stahl-Container gerammt. Er muss von einem großen Frachter gefallen sein. Kinderschuhe schwimmen auf der ruhigen Meeresoberfläche. Durch ein großen Leck strömt nun Wasser in die Kajüte, die Navigationsgeräte gehen kaputt. Der Überlebenskampf beginnt.

Konzentriert macht sich der erfahrene Seemann an die Arbeit. Das Loch wird geflickt, Geräte und Karten in der Sonne getrocknet. Und schon geht es weiter: Ein heftiger Sturm zieht auf. Doch selbst dann ist Redfords Figur noch der Mann, der sein Schicksal überlegt meistern will. Er rasiert sich. Die Todesangst kommt später, als riesige Wellen den Mast zerbrechen und das Boot versenken. Auf einem Gummi-Rettungsboot, ohne Wasser und wirklichen Proviant, gerät der ältere Mann an seine Grenzen.

"All Is Lost" ist ein gewagtes filmisches Experiment. In seinem Debütspielfilm, dem Finanzkrisen-Thriller "Der große Crash - Margin Call" (2011), setzte der amerikanische Regisseur J.C. Chandor auf brillante Dialoge. Nun verlässt er sich ganz auf die wortlos fesselnde Hollywood-Ikone Redford und auf einen nüchternen, aber packenden Erzählstil, der ohne überzogene Actionszenen auskommt.

Was passiert, wenn Menschen an die Grenze ihrer Belastbarkeit stoßen und nicht aufgeben? Diese Fragen hätten ihn interessiert, sagte Redford der "New York Times". Bei den Dreharbeiten ging er an seine körperlichen Grenzen. Die Crew habe ihn mit Wasserwerfern und Windmaschinen "grün und blau geschlagen", flachste der Schauspieler.

Tatsächlich verzichtete Redford auf Stuntmänner und begab sich monatelang aufs Wasser. Das hat sich gelohnt - "All Is Lost" wirkt enorm glaubwürdig: Redfords Handgriffe sitzen wie die eines erfahrenen Seefahrers; gleichzeitig vermitteln sein nicht mehr ganz sicherer Gang und die langsameren Bewegungen überzeugend, dass hier ein älterer Mann ums Überleben kämpft.

Keines von Hollywoods bisherigen Überlebensdramen war außerdem so radikal stumm wie "All Is Lost". Tom Hanks hatte in "Verschollen" (2000) als einziger Überlebender eines Flugzeugabsturzes einen Volleyball, den er "Wilson" taufte, als Gesprächspartner. Der schiffbrüchige Junge in "Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger" (2012) redete mit seinem Tiger. Der in einer Felsspalte eingeklemmte Bergsteiger in "127 Hours" (2010) sprach in der Not mit seiner Videokamera. Redford hingegen überzeugt auch ohne Worte.