TV-Tipp Ein Atem

Elena jobbt als Babysitterin. Dann verschwindet das Kind, auf das sie aufpassen soll. Ein Alptraum. Vor allem für Tessa, die Mutter. Und dann eskaliert das Ganze.

Von Andreas Heimann, dpa 15.06.2017, 23:01

Berlin (dpa) - Tessa ist so ziemlich das Gegenteil von Elena. Dabei ist die eine Mutter einer kleinen Tochter und die andere gerade schwanger. Die eine braucht dringend eine Babysitterin, die andere unbedingt einen Job.

So treffen sie aufeinander, so nimmt die Katastrophe ihren Lauf. "Ein Atem" heißt der Film, bei dem Christian Zübert Regie führt und mit seiner Frau Ipek auch das Drehbuch geschrieben hat. Es geht um enttäuschte Liebe und enttäuschte Erwartungen, überzogene Ansprüche und verlogene Beziehungen.

Zübert, sowohl als Regisseur als auch als Drehbuchautor bereits mit einem Grimmepreis ausgezeichnet, hat daraus ein Drama gemacht, das nicht in die Kategorie Wohlfühlfilm fällt, aber umso sehenswerter ist. Arte zeigt den Film, der 2016 schon im Kino zu sehen war, am Freitag (16. Juni) um 20.15 Uhr.

Elena (Chara Mata Giannatou, 27) hält es in Athen nicht mehr aus und lässt ihren Lover dort zurück. Es gibt einen tränenreichen Abschied am Busbahnhof, kurz darauf jobbt sie schon in Frankfurt in einer Bar. Doch dann erfährt sie beim Arzt, dass sie schwanger ist und dort nicht weiter arbeiten kann. Stattdessen wird sie Babysitterin bei einem deutschen Doppelverdienerpaar.

Tessa Berg (Jördis Triebel, 39) und ihr Mann Jan (Benjamin Sadler, 46) arbeiten viel und haben wenig Zeit für sich. Tessa hat sich komplett in ihre Rolle als Mutter mit überspannten Ansprüchen an sich selbst und ständig schlechtem Gewissen hineingesteigert. Jan reagiert schnell genervt oder verständnislos.

Für Tessa ist Elena nur eine Hilfskraft, die sie braucht, Karriere und Kind unter einen Hut zu bekommen. Und von der sie die Pefektion in der Kinderbetreuung erwartet, die sie sich selbst nicht mehr zumuten will. Elenas Aufgaben druckt sie in einer Excel-Tabelle aus und schärft ihr ein, der eineinhalbjährigen Lotte nur ein einziges Stück Süßigkeiten am Tag zu geben. Elena beugt sich den pädagogischen Marotten der hippen Doppelverdiener, die sich in Beziehungs- und Erziehungsfragen durchaus nicht immer einig sind. Denn ihr bleibt nichts anderes übrig.

Jördis Triebel spielt die verletzte wie selbst ständig andere verletzende Tessa als Borderline-Persönlichkeit: "Du sollst auf Lotte aufpassen, nicht rumstehen!", kreischt sie Elena an, als Gäste zu Besuch sind. "Sag, mal, das ist doch alles Scheiße hier!", meckert sie, als Elena nicht aufgeräumt hat. Nett wirkt Tessa nicht gerade.

Umso mächtiger ist die Fallhöhe, als sie dann völlig aus der Spur gerät, nachdem Lotte eines Tages aus dem Kinderwagen verschwunden ist und Elena nach Griechenland flieht, aus Angst vor Tessas Vorwürfen. Tessa ist geradezu besessen von der Idee, Elena habe ihre Tochter entführt und macht sich auf den Weg nach Athen.

Jördis Triebel spielt diese unglückliche, wütende Frau mit enormer Ausdruckskraft und Glaubwürdigkeit. Chara Mata Giannatou ist in der Rolle der starken, aber hin- und hergerissenen Elena mindestens genauso überzeugend und deutlich sympathischer. Männer spielen nur die zweite Geige. Am Schluss findet Tessa Elena in der griechischen Hauptstadt tatsächlich. Und Lotte taucht wieder auf. Aber ein Happy End wird das nicht.

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