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Architektur Bauernhöfe mit der Welt verbinden

Wohnraummangel. Verdichtung durch Aufstocken bestehender Häuser. Die Wohn-Probleme der Metropolenstädte bestimmen die Nachrichten.

Von Uta Baier 02.12.2016, 23:01

Magdeburg l Die großen Städte in Sachsen-Anhalt haben andere Probleme als deutsche Metropolen. Obwohl sich Magdeburg und Halle aus Sicht der Immobilienmakler positiv entwickeln. Und Wernigerode boomt wie Jena, haben Immobilienmakler errechnet. Ralf Niebergall, Architekt und Professor für Architektur an der Hochschule Anhalt, wurde kürzlich zum Vizepräsidenten der Bundesarchitektenkammer wiedergewählt. Uta Baier hat mit ihm über gutes und bezahlbares Bauen gesprochen.

Was wünschen Sie sich als Architekt für Sachsen-Anhalt?

Ralf Niebergall: Ich wünsche mir für viel mehr Bauaufgaben - ganz gleich ob öffentliche oder private - Architektenwettbewerbe. Damit hat man als Bauherr die Möglichkeit, aus vielen Ideen die jeweils beste zu finden.

Wie sieht denn die Bau-Situation aus Sicht der Architekten in Sachsen-Anhalt aus?

Insgesamt gut. Die Voraussetzungen sind in Sachsen-Anhalt aber sehr unterschiedlich und ganz anders als in den gewaltig wachsenden Metropolen.

Dort geht es um Wohnraummangel und verschiedene Ideen zur Verdichtung, zum Beispiel bestehende Häuser aufzustocken.

Das stimmt. Verdichtung hat bei uns eher weniger Bedeutung. Aber es gibt eine sehr unterschiedliche regionale Entwicklung. In Magdeburg und Halle wächst die Bevölkerung, und damit steigen auch Preise und Investitionen. In anderen Regionen gibt es eher Abwanderung.

Kann gute Architektur Abwanderung stoppen?

Sicher nicht allein. Es geht immer auch um Arbeitsplätze, um einen funktionierenden Nahverkehr. Die romantische Vorstellung vom Bauernhof auf dem Land kann man nur realisieren, wenn der Bauernhof mit der Welt verbunden ist. Aber manchmal gelingt das. Sehen Sie nur das Beispiel Druxberge. Da hat der Zuzug von zwei Unternehmern, die im Ort gebaut beziehungsweise umgebaut haben, die bestehende Gemeinschaft gefestigt. Nun kann sogar die kleine Kunstgalerie erhalten und regelmäßig mit Ausstellungen bespielt werden.

Sie meinen Druxberge bei Eilsleben?

Ja, nicht zu verwechseln mit Eisleben. Aber aus der Lutherstadt habe ich ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig funktionierende Infrastrukturen sind. In der Innenstadt von Eisleben wurden neue Wohnungen gebaut. Zur Überraschung der Vermieter zogen auch ältere Ehepaare ein, die ihr Einfamilienhaus am Stadtrand verkauft haben, um im Alter von den städtischen Infrastrukturen profitieren zu können.

Die Bundesregierung will nach ihren neusten Beschlüssen Bauprojekte in Städten erleichtern und dazu die Baukategorie „Urbanes Gebiet“ einführen. Hat das aus Ihrer Sicht Auswirkungen für Sachsen-Anhalt?

Im Wesentlichen nicht, das gilt vor allem für die Metropolen. Wir haben in Sachsen-Anhalt doch eine relativ entspannte Bebauungssituation. Aber der Erhalt von einer urbanen Mischung – also Wohnen und Gewerbe oder Sportstätten in einem Gebiet – sollte schon in unserem Interesse sein.

Außerdem plant die Bundesbauministerin Barbara Hendricks finanzielle Hilfen für Familien beim Kauf von Eigentumswohnungen in Ballungsräumen, möglicherweise auch in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung. Begrüßen Sie als Architekt eine solche Unterstützung?

Selbstverständlich begrüße ich das. Wenn aber gleichzeitig die Energieeinspar-Richtlinien verschärft werden, wird die Förderung komplett aufgefressen.

Überall wird aufgrund der Niedrigzinsphase kräftig gebaut. Nutzt das den Architekten in Sachsen-Anhalt?

Sicher, das gibt ihnen mehr Gestaltungsspielraum. Aber wenn die Mieten sozialverträglich nicht höher als fünf oder sechs Euro sein dürfen, ist dieser Spielraum auch in Niedrigzinsphasen eingeschränkt.

Wegzug bedeutet Leerstand. Leerstand bedeutet Abriss. Abriss wird zu einem ästhetischen Problem, das wiederum für Wegzug verantwortlich sein kann. Die Architektenkammer hat seit Jahren die Kampagne „Mut zur Lücke“. Was wurde umgesetzt?

Wir hatten jetzt schon die vierte Staffel von „Mut zur Lücke“. Am Anfang waren vor allem die Städte begeistert und haben sich über die kreativen Ideen der Architekten für ihre Leerstellen gefreut. Allerdings fanden sie oft keinen Investor, um die Lücken auch wirklich zu schließen. An den nächsten Staffeln haben sich auch die Wohnungsbauunternehmen beteiligt, weil sie gemerkt haben, dass sie einen guten Wohnungsmix brauchen, um für ihre Mieter attraktiv zu sein – auch und besonders in den Innenstädten.

Aus Sicht der Wohnungsbauunternehmen ist eine der Herausforderungen der nächsten Jahre der barrierefreie Umbau von Wohnungen. Was ist es aus Sicht der Architekten?

Die größte Herausforderung ist die innerstädtische Erneuerung mit qualitätvoller Architektur. Und das alles in einem wirtschaftlich vernünftigen Rahmen.

Das klingt nach einem Gegensatz.

Das ist es oft auch, denn immer höhere technische Standards, besonders bei der notwendigen Energieeinsparung, treiben die Baupreise. Zudem haben wir in Sachsen-Anhalt viele Baudenkmale, die erhalten werden müssen und mit den Wünschen des 21. Jahrhunderts synchronisiert werden wollen. Stellen Sie sich nur die Sanierung eines Barockgebäudes vor, wenn das Ziel Mieten für sechs Euro heißt. Das ist schon ein Spagat.